1350 - Im Wald der toten Gesichter
sondern abgerundet war.
»Was… was … soll das?«
Korbinian lächelte vor seiner Antwort. »Damit werde ich dich töten, Truman…«
***
Phil hatte es geahnt. Nein, er hatte es sogar gewusst. Doch jetzt war ihm die brutale Wahrheit übermittelt worden, und da hatte er schon das Gefühl, einen Schlag in den Magen erhalten zu haben.
Sein Denken und Fühlen war plötzlich dahin. Obwohl ihn das verdammte Messer noch nicht berührte, brannte seine Haut. Er wollte wegrennen. Er suchte nach einem Ausweg und drehte den Kopf, aber da gab es nichts. Die Bäume standen einfach zu dicht. Sie wirkten auf ihn wie das Gitter eines Gefängnisses, das sich bei seiner Flucht noch stärker zusammenziehen würde.
Es war vorbei mit seiner Ruhe. Er spürte den Druck an der Stirn, und da waren auch die unsichtbaren Hände, die sein Herz umklammerten.
Und die Gesichter!
Sie waren nie aus den Bäumen verschwunden. Sie hatten nur ihre Kraft zurückgehalten, doch nun zeigten sie sich. Schon einmal war er von ihnen in den Wald gelockt worden. Da hatte er sie als Lichter gesehen, und das erlebte er erneut.
Hell wurden sie. Ein gelblich weißes Licht tanzte vor seinen Augen, obwohl sich die Lichter selbst nicht bewegten. Das lag einzig und allein an seinem Zustand.
Von allen Seiten grinsten sie ihn an. Sie waren für ihn zu schrecklichen Masken geworden, zu Fratzen, die genau wussten, dass er nicht mehr entkommen konnte.
Phil Truman spürte, dass seine Knie nachgaben. Es würde ihm nicht mehr möglich sein, sich zu wehren, und dann merkte er, dass er schwankte. Es klappte nicht mehr. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Durch seinen Kopf fuhr der Schwindel, der ihn zu einer Figur machte, die fremdgelenkt wurde. Er wollte gehen, es trotzdem versuchen, doch die Schwäche war einfach zu stark.
Bereits nach dem ersten Schritt brach er zusammen.
Im letzten Moment streckte er die Arme vor. So schaffte er es, sich abzustützen. Er fiel nicht auf sein Gesicht. Wie ein Bittsteller blieb er vor Korbinian knien, der genau das gewollt hatte, denn sein Gesicht zeigte ein böses Lächeln.
Hätte Phil Truman jetzt in die Augen des Mannes sehen können, dann wäre ihm das Funkeln sicher nicht entgangen, aber er schaute nicht hinein, sondern auf den Körper.
Und er sah das verdammte Schnitzmesser. Die hellen Gesichter in den Stämmen gaben genügend Licht ab, um sogar das Funkeln auf der Klinge erkennen zu können.
Das Blitzen würde ihn bis in den Tod begleiten, denn Gnade würde der Schnitzer nicht kennen.
Mit seiner freien Hand riss er Truman in die Höhe. Phil hielt die Augen offen. So erlebte er die letzten Sekunden seines Lebens überdeutlich.
Er sah, dass etwas von oben nach unten glitt und an seinen Augen vorbeihuschte.
Das Messer?
Ja, das musste es sein. Er spürte es an seiner Kehle und konnte sich nicht wehren.
»Gesichter brauche ich!«, hörte er Korbinians scharfe Flüsterstimme. »Ja, ich brauche Gesichter. Ich will sie haben und muss sie einfach sammeln, verstehst du? Es ist der Wald der Toten oder der toten Gesichter. Ein Denkmal, ein Mahnung an die Lebenden.«
Ein letztes Kichern noch. Dann spürte der Umweltschützer einen brennenden Schmerz an seinem Hals. Er wollte schreien, doch in seiner Kehle erstickte alles, weil ihm plötzlich das Blut hineinschoss.
Und dann erwischte ihn die Dunkelheit, die ihn nie mehr loslassen würde…
***
Ein Ort, der Braming hieß und in Kent lag, eine Provinz im südöstlichen England. Ein Landstrich, der auch bei Touristen sehr beliebt war, weil sie hier etwas typisch Britisches vermuteten, was letztendlich auch stimmte.
Nur nicht um diese Jahreszeit. Da sah auch das Britische aus wie in anderen Gegenden. Grau in grau, wolkenverhangen, kalt und ungemütlich.
Wir rollten mit großer Mannschaft an. Das Gesicht meines Freundes Suko und auch meines war in diesem Wald innerhalb der Bäume eingeschnitzt worden, und dem wollten wir auf den Grund gehen. Wir mussten das tun. Es war zwar nichts Lebensgefährliches geschehen, aber unsere Gesichter in Baumstämmen, das hatte etwas zu bedeuten. Das konnte nicht so einfach akzeptiert werden.
Wir waren mit Sukos BMW gefahren. Er schnurrte wie in jungen Tagen, und Suko, der gern fuhr, hatte stets ein Lächeln auf seinem Gesicht liegen.
Das Wetter spielte mit. Es war zwar kalt, aber es rieselte kein Schnee aus den bleichgrauen Wolken. So kamen wir recht gut voran. Wir hatten den Straßenring um Canterbury ebenfalls in unserem gesetzten
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