1350 - Im Wald der toten Gesichter
Tiefen der Hölle hoch und kam mir vor wie der Rest, der entsteht, wenn man Dämonen verbrennt.
Jeder von uns hörte das Schreien. Oder war es kein Schreien? Zumindest grollte uns ein Geräusch entgegen, von dem ich einfach annahm, dass es sich um ein Schreien handelte. Es waren tiefe, röhrende und auch donnernde Laute. Selbst ein Tontechniker würde Probleme haben, sie so auf das Band zu bekommen.
Dichte Wolken, doch nicht so dicht, als dass sie nicht aufgehellt werden konnten. Genau dafür sorgte mein Kreuz, das noch immer an der Zunge hing und tatsächlich Licht abgab.
Es strahlte in die schwarzen Wolken hinein und sorgte für eine andere Farbnuance. Sodass ein fahles Totenweiß in dieses tiefe Schwarz hineinglitt.
Dahinter tobte der Kampf. Die perfekt geschnitzte und sicherlich vom Teufel geweihte Fratze gab nicht auf. Sie kämpfte. Sie schlug mit dieser ekligen Zunge um sich, aber sie schaffte es nicht, das Kreuz zu lösen. Dafür stand sie vorn noch zu sehr in die Höhe.
Mein Talisman machte jeden Schlag mit. Er pendelte von einer Seite zur anderen, aber er löste sich nicht.
Plötzlich passierte das, worauf wir gewartet hatten. Die Risse breiteten sich aus. Das Röhren blieb und verstärkte sich für einen Moment, bevor das Knirschen an unsere Ohren drang und wir im fahlen Licht des Kreuzes erkannten, wer der Sieger war.
Nicht die Hölle sondern das Licht!
Die Maske zerbrach und zerbröselte. Aber es war nur die widerliche Zunge, die Feuer fing. Auch diese Flammen sahen nicht normal aus. Sie schimmerten in einem dunklen Rot mit ebenfalls dunklen Streifen dazwischen, peitschten dann nach innen in den Maskenkopf hinein, schnellten hoch und jagten in das Gehirn.
Der große Schädel oder die hässliche Fratze wurde zerstört. Sie flogen als leichte und rußige Teile auseinander.
Schattenhaft segelten sie durch den kleinen Raum. Es war grauenhaft für die andere Seite, die erleben musste wie tödlich die Kraft war, die vor Urzeiten schon mal gesiegt hatte und durch mein Kreuz weitergetragen worden war durch alle Zeiten.
Es lag am Boden. Ich hatte es nicht fallen gesehen und auch keinen Aufschlag gehört. Über ihm schwebten die Russschwaden wie schwarze Rochen, die sich allmählich auflösten und nur einen widerlichen Geruch zurückließen.
Meine kleine Leuchte hatte ich verloren. Es war nicht wichtig. Ich sah genug, denn Suko strahlte das an, was von dieser mächtigen Maske übrig geblieben war.
So gut wie nichts…
Kein fester Gegenstand mehr. Nur noch der Gestank und ein paar letzte Wolken, die sich allerdings immer mehr auflösten, sodass die Normalität zurückkehren konnte.
Bill klopfte mir auf die Schulter. »Das, John, hätte keiner von uns so geschafft.«
Ich winkte ab. »Das war nicht ich, sondern das Kreuz, und es hat gegen das gekämpft, was uralt ist.«
»Und was ist es?«
Bill bekam die Antwort erst, als ich das Kreuz wieder an mich genommen hatte. Es besaß sein normales Aussehen, es war okay.
Nicht weicher geworden oder deformiert.
»Das Böse, Bill. Das Urböse. Luzifer. Oder ein Teil von ihm.« Ich hob die Schultern. »Es kann durchaus sein, dass es uns soeben gelungen ist, einen Blick in die Urzeit zu werfen, als alles noch im Entstehen war und sich der Dualismus bildete.«
»So philosophisch?«, fragte Bill und grinste dabei.
»Klar. Manchmal muss man einfach so denken. Der Mensch braucht irgendeinen Halt oder auch eine Grundlage, auf der er stehen kann.« Ich schob Bill zurück in die normale Hütte, wo Suko auf uns wartete.
Er begrüßte uns mit einem anerkennenden Nicken. »Das war erste Sahne, Freunde.«
Ich winkte ab. »Und auch Glück.«
»Wenn du das so siehst.«
»Ja, hätte ich damals das Kreuz nicht bekommen, wäre diese Figur nicht zerstört worden. Ich kann mir denken, dass der Schnitzer aus ihr die Kraft geholt hat.«
»Die jetzt noch vorhanden ist?«
Bill hatte die Frage gestellt. Auch seine Zweifel waren nicht zu überhören gewesen.
»Bestimmt ist sie vorhanden«, erklärte ich. »Daran glaube ich fest.« Ich schloss die Tür zum Anbau wieder. »Es wird ihn noch geben, und ich gehe davon aus, dass Korbinian mit der Kraft der Hölle gefüllt ist. Da er sich nicht hier aufhält, gibt es für uns eigentlich nur eine Alternative. Er steckt im Wald bei seinen Bäumen.«
»Und bei den Gesichtern«, meinte Bill. Er warf einen Blick nach draußen, wo sich die Dämmerung verabschiedet und der Dunkelheit Platz gemacht hatte.
»Dann los«, sagte ich, »holen
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