1350 - Im Wald der toten Gesichter
Dreieck – war rot und schwarz, abgesehen von den Augen, die kalt und gelb schimmerten.
Hörner gab es nicht. Sie waren an der breiten Stirn nur angedeutet worden.
»Korbinians Götze«, kommentierte ich. »Jetzt haben wir den Beweis, mit wem er paktiert.«
Das traf zu. Ich dachte darüber nach, dass der Baum zusammengebrochen war, als er Kontakt mit meinem Kreuz bekommen hatte. Meines Erachtens nach gab es eine Verbindung zwischen der Fratze und den Bäumen im Wald. Hier musste sich die Energiequelle des Schnitzers befinden, auch wenn er sich selbst versteckt hielt.
»Ich denke, John, dass du hier Glück haben wirst.« Mehr brauchte Bill gar nicht zu sagen.
»Dann versuche ich es.«
Mit dem Kreuz in der Hand ging ich auf die Fratze zu. Der übrige Teil des kleinen Anbaus lag im Dunkeln. Nur die Fratze war gut zu sehen. Jetzt spürte ich auch, dass die Kälte nicht aus den Wänden drang, sondern von der verfluchten Fratze her, die sich perfekt der hier engen Umgebung anpasste.
Eine leichte Gänsehaut war für mich schon spürbar, als ich mich dem Ding näherte. Man konnte es wirklich als unheimlich bezeichnen. Es strahlte etwas ab, das einem Menschen einen tiefen Schrecken einjagte und wenn ich es recht bedachte, hatte dieses Gebilde etwas von dem absolut Bösen an sich, von Luzifer.
Bill und Suko blieben wie zwei Schattengestalten zurück. Es gab nur mich und die übergroße Fratze, die mich zu einem regelrechten Duell herausforderte.
Genau das Gefühl überkam mich. Ein Duell Gut gegen Böse, wobei das Böse eine verdammt große Macht hatte, der ich nicht entfliehen konnte. Sie packte mich, sie wollte mir den Atem rauben, und selbst das Kreuz fühlte sich kalt in meiner Hand an.
Trotzdem ging ich weiter. Ich ließ mich nicht abhalten. Selbst nicht von der anderen Kraft oder Macht, die in meinen Kopf hineinwollte, um mich zu unterdrücken. Ich stemmte ihr dabei meinen eigenen Willen entgegen.
Die Zunge ragte mir wie ein gefährlicher und zugleich widerlicher Lockvogel entgegen. Doch ich wusste genau, dass ich sie als Erstes attackieren würde.
Bewegten sich die gelben Augen oder nicht? Lauerte darin etwas von Luzifer?
Eine Antwort bekam ich nicht. Es konnte sein. Ich merkte, dass ich mein Kreuz härter umfasste. Es sollte mir den entsprechenden Halt geben, um den gefährlichen Anforderungen gewachsen zu sein. Ich hörte mich selbst laut atmen, wobei das Geräusch mehr einem Zischen glich.
Noch einen Schritt musste ich nach vorn gehen, dann war ich in der Lage, die Fratze zu berühren.
»Okay«, flüsterte ich und machte mir selbst Mut. Der Baum im Wald war zusammengebrochen, aber er war nur ein Helfer gewesen, und so musste ich darauf hoffen, dass mein Kreuz mächtig genug war.
Die Zunge war einfach ein zu perfektes Ziel. Weit aus dem Mund herausgestreckt, aber die Spitze dabei nach oben gebogen, lud sie mich praktisch zu einer bestimmten Maßnahme ein.
Ich hängte die Kette mit dem Kreuz an die Zunge.
Dann trat ich einen Schritt zurück, und das war auch nötig, denn hier trafen tatsächlich zwei elementare Kräfte aufeinander. Es kam zu einem gewaltigen ›Donnerschlag‹ ohne ein Geräusch. Plötzlich war alles anders. Ich hatte das Gefühl, dass über mir der Himmel einstürzte, und reagierte auch dementsprechend.
Ich duckte mich, riss die Arme hoch und schütze dabei so gut wie möglich meinen Kopf. Ich rechnete damit, dass etwas auf mich niederprasseln würde, doch das war nicht der Fall.
Nichts bekam ich ab.
Und trotzdem erlebte ich eine Hölle. Um mich herum zischte es.
Ich sah es noch dunkler werden und erkannte, dass es schwarze Rauchwolken waren, die mich umwehten.
Ich hörte auch die Schreie, aber es waren keine menschlichen. Jemand packte mich und zerrte mich so weit zurück, bis ich in einer relativen Sicherheit stand.
»Es reicht, John, es reicht!« Bills Stimme klang dicht an meinem Ohr. Er hatte Recht. Es reichte wirklich. Die künstliche, aber teuflisch angemalte Fratze und mein Kreuz befanden sich in einem irren Kampf. Ich hatte das Kreuz nicht aktiviert. Trotzdem zeigte es uns, was wirklich in ihm steckte. Es war dabei, die verdammte Maske zu zerreißen. Sie hatte bereits Risse bekommen, aus denen ein fetter Dampf kroch. Er war wirklich fett, träge und schwer. In Wolken wallte er vor uns auf und nahm uns so den größten Teil der Sicht.
Ekel breitete sich in mir aus. Ich nahm den Gestank wahr, den ich kaum beschreiben konnte. Er drang wahrscheinlich aus den unendlichen
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