1350 - Im Wald der toten Gesichter
verlassen.«
Es gab vorerst nichts mehr zu sagen, und ich nickte Bill, der alles mitgehört hatte, zu. »So weit wären wir schon. Unser Freund Korbinian ist nicht so harmlos und nicht nur Schnitzer.«
»Vielleicht arbeitet er im Auftrag des Teufels? Weiß man’s?«
»Auch das ist möglich. Ich will mir jedenfalls keine weiteren Gedanken darüber machen.«
»Gut, belassen wir es dabei. Aber ansehen müssen wir uns diesen Korbinian.«
»Worauf du dich verlassen kannst.« Ich schaute auf meine Uhr.
»Dann werde ich mich mal zurückziehen.«
»Gut, wir starten morgen in der Frühe. Ich bin gespannt, was Sheila zu dieser Reise sagt.«
»Sie wird Verständnis haben müssen. Sie hätte an meiner Stelle auch nachgeforscht, und würde die Sache weiter verfolgen.«
»Davon kannst du ausgehen.«
Für mich war der Besuch beendet. Aber auch das Gefühl des Feierabends und die ruhigen Stunden.
Wenn ich zu Hause war, würde ich mit Suko weiterhin über den Fall sprechen, und ich ahnte schon jetzt, dass diese Geschichte verdammt unangenehm werden konnte…
***
»Willst du noch ein Bier?«
Phil Truman schaute hoch, als die Bedienung an seinen Tisch trat und ihn fragend anblickte.
»Ich weiß nicht.«
»Komm, trink noch einen Schluck. Danach wird der Laden sowieso dichtgemacht.«
»Okay, Lucy, du hast mich überzeugt.«
»Wusste ich doch.«
Lucy war 30. Recht hübsch und ziemlich scharf. Sie kam sich in dieser Umgebung falsch vor und träumte noch immer von einer Karriere in London. Dort wollte sie als Sängerin auftreten, denn von ihrer Stimme war sie ebenso überzeugt wie von ihrer Figur. Und da in London immer wieder neue Gruppen ins Leben gerufen wurden, rechnete sich Lucy Denning eine Chance aus. Nur war sie eben ein wenig träge. Sie sah es als angeboren an, deshalb tat sie auch nichts dagegen.
Wie immer trug sie ihr enges Outfit. Ein schwarzes Kleid, das die Figur umspannte, als wäre es auf ihren Körper gezeichnet worden.
Natürlich bekamen die Gäste Stielaugen, und auch der Wirt erfreute sich an ihrer Figur. Im Ort flüsterte man sich zu, dass er und Lucy es miteinander trieben und sie auch gut dafür bezahlt wurde.
Mit dem frischen Bier kam sie wieder an Phils Tisch. Sie setzte sich zu ihm, was sie sich erlauben konnte. Außer Phil befanden sich nur noch zwei Gäste im Lokal, und die hatten bereits ihre Rechnung beglichen.
Ihr rundes Puppengesicht mit dem hellrot geschminkten Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Hast du noch was vor, Phil?«
Truman griff nach seinem Glas. Er trank zunächst einen Schluck.
Dabei ließ er seine Blicke nicht von ihren Augen. Darin entdeckte es das gewisse Funkeln und konnte sich leicht vorstellen, welche Freuden ihm Lucy noch bereiten würde.
Nur war er nicht dazu in Stimmung. Er stellte das Glas wieder auf den Kopf und schüttelte den Kopf. »Ich bin kaputt und müde.«
»Na super.« Lucy lehnte sich zurück. »So habe ich mir das vorgestellt. Echt.« Sie beugte sich wieder vor und verengte die Augen mit den blassblauen Pupillen. »Sag mal, warum bist du eigentlich wieder hier nach Braming zurückgekehrt?«
»Tja, das frage ich mich auch.«
»Nicht wegen mir?«
Er lächelte sie an. »Sagen wir, nicht nur.«
»Dann willst du wieder schnüffeln?«
Phil gab sich pikiert. »Wieso das denn? Schnüffeln, wie sich das anhört! Bin ich ein Hund?«
»Nein, das nicht, aber du bist doch so ein Umwelttyp und hast mir gesagt, dass du dir den Wald anschauen willst. Stimmt das?«
»Ja.«
»Das kannst du auch im Hellen.«
Truman seufzte. »Lucy«, sagte er und sprach dabei langsam. »Ich habe nicht gesagt, dass ich bei Dunkelheit in den Wald gehen will. Ich bin einfach nur müde. Ich gehe in meine Bude und lege mich hin. Das ist alles, verflixt.«
Die blonde Bedienung schob den Stuhl zurück und stand auf.
»Okay, dann leg dich hin, alter Mann.«
»Mach ich auch. Bis morgen dann.«
»Pah.« Sie hob nur die Schultern und schlenderte hüftschwenkend auf die Theke zu, vor der sie stehen blieb und ihren Chef bei der Lösung eines Rätsels störte.
Auch Phil blieb nicht länger sitzen. Er stand auf und ging auf die Garderobe zu. Der runde Ständer hatte seinen Platz in einer Ecke gefunden. Daneben hing an der Wand noch ein alter Spiegel mit verblichener Fläche. Trotzdem war er in der Lage, sein Gesicht zu sehen. Auch wenn er sich durch seine langen Haare, die im Nacken einen Zopf bildeten, ein jugendliches Image gab, konnte er sein Alter doch nicht ganz verleugnen. Er
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