1350 - Im Wald der toten Gesichter
hat es jemand auf uns abgesehen, dieses Gefühl habe ich jedenfalls.«
Für mich stand das auch fest. Doch ich dachte momentan an etwas anderes.
»Ich rufe jetzt Suko an. Nein, mach du es und gib ihm die nötigen Informationen.«
»Okay.«
Trotz des miesen Wetters waren Shao und Suko nicht zu Hause.
Der Anrufbeantworter war eingestellt. Bill wollte nach dem Piepton eine Nachricht aufsprechen. Er hatte kaum seinen Namen gesagt, als sich Suko meldete.
»Keine Panik, wir sind gerade zurückgekehrt.«
»Gut, dann setz dich mal hin und leih mir dein Ohr.« Es dauerte nicht lange, da hatte Bill alles gesagt und Suko auch darüber informiert, dass ich bei ihm war.
Der Inspektor war erstaunt. Er ließ sich von Bill die Informationen noch mal wiederholen und versprach dann, zurückzurufen.
»So, jetzt können wir warten.« Bill warf mir einen fragenden Blick zu. »Noch einen Schluck?«
»Nein, nur Wasser. Weiß eigentlich Sheila von deiner spannenden Entdeckung?«
»Nein, noch nicht«, erwiderte der Reporter schulterzuckend.
»Aber ich werde es ihr sagen müssen. Daran komme ich nicht vorbei. Und ich will dann herausfinden, warum dieser Korbinian unsere Gesichter in die Baumstämme geschnitzt hat. Überhaupt interessiert mich der Mann mit dem deutschen Namen.«
»In diesem Land gibt es viele Schnitzer. Vor allen Dingen in den südlichen Gegenden. Es wäre wirklich gut, wenn wir mehr über ihn herausfinden könnten.«
»Klar. Und wer wird uns dabei helfen? Das Internet ist leider ›sprachlos‹.«
»Ich rufe Harry Stahl an.«
Bill schnippte mit den Fingern. »Eine gute Idee, Alter, obwohl ich an keinen Erfolg glaube. Aber in diesem Fall sollte man alles versuchen, um der Wahrheit nahe zu kommen.«
Harrys Nummer war in meinem Handy gespeichert. Ich konnte nur hoffen, dass ich ihn nicht störte.
Der Ruf ging durch, und über mein Gesicht glitt ein Lächeln, als ich sehr schnell Harrys Stimme hörte.
»John Sinclair hier.«
»He, das gibt es nicht. Du lebst noch?«
»Hin und wieder schon.«
»Super. Aber jetzt hast du Probleme?«
»Nicht direkt. Aber etwas Hilfe von dir könnte ich schon gebrauchen.«
»Okay, und worum geht es?«
»Um einen Mann, der Korbinian heißt und von Beruf Schnitzer oder Schnitzkünstler ist.«
»Nein.«
»Doch!«
Harry Stahl lachte. »Nichts gegen dich, John, aber was hast du mit einem Schnitzer zu tun, der einen derart bayrischen Namen trägt und sicherlich aus diesem Bundesland stammt.«
»Er mag zwar aus Bayern stammen, doch er befindet sich in England, in der Provinz Kent.«
»Da kenne ich mich nicht aus.«
»Das habe ich mir gedacht. Schau trotzdem mal nach, ob ihr irgendwas über ihn im Computer habt. Das interessiert mich wirklich.«
»Alles klar, John. Wo bist du zu erreichen?«
»Bei Bill.«
»Na, dann grüß ihn mal.«
»Mach ich gern, bis gleich.«
Der Reporter schaute mich unter seinen hoch gezogenen Augenbrauen an. Er meinte: »Spannend war das Gespräch nicht. Wie ich ihm entnehmen konnte, scheint Harry Stahl nichts über diesen Menschen zu wissen. Wäre es anders, wärst du nicht so gelassen geblieben.«
»Stimmt.« Ich feuchtete meine Kehle mit Mineralwasser an.
»Aber er wird sich bemühen und etwas herausfinden.«
»Dann wollen wir uns mal die Daumen drücken.« Bill schüttelte den Kopf. »Ist schon ein komisches Gefühl, wenn ich daran denke, dass man mein Gesicht in einen Baumstamm geschnitzt hat. Bestimmt nicht zur Erinnerung – oder doch? Für dich, für Suko und mich?«
»Keine Ahnung. Das hätte man einfacher haben können. Warum hat man sich die Mühe gemacht?«
»Frag mich was Leichteres.«
Ich schaute auf die Uhr, denn jetzt hatte eine Zeit begonnen, die ich hasste. Warten war nicht meine Sache, obwohl ich genau wusste, dass ich warten musste, denn auch das Zeitalter der elektronischen Kommunikation schloss den Faktor Zeit nicht aus.
»Wenn er ein normaler Mensch ist, John, dann muss er Kontakt mit der anderen Seite gehabt haben. Wie sollte er sonst auf die Idee kommen, unsere Gesichter in die Baumstämme zu schnitzen? Ich glaube kaum, dass wir ihm im Traum erschienen sind.«
»Das sicherlich nicht.«
»Also hat man ihn über uns informiert. Man hat ihm möglicherweise unsere Fotos gezeigt. Man hat ihm erklärt, was er tun muss, und vielleicht ist auch alles inszeniert worden, Bill. Dass dein Bekannter bewusst an den Ort herangeführt wurde, weil er die Gesichter entdecken sollte, um dies weiterzumelden.«
»Das kann auch
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