1352 - Die schwarzen Schiffe
Nerva-Than sah förmlich, wie es in den Köpfen der beiden Männer arbeitete.
Narktor war der erste, dessen Entscheidung feststand, auch wenn es sich lediglich um einen Aufschub handelte: „Bevor wir endgültig unsere Taktik festlegen, will ich mich am Landeplatz der Fremden umsehen. Vielleicht sind sie immer noch mit dem Hypertrop beschäftigt. Und wenn nicht, bleibt nur eines.
Dann nämlich müssen wir die Sache sofort starten."
„Natürlich!" ergänzte Wido Helfrich. Dabei entblößte er sein Pferdegebiß und kniff abwägend die Augen zusammen: „Könnte ja sein, daß sie mit dem Hypertrop tatsächlich noch nicht fertig sind. Nach Möglichkeit können wir dann abwarten, bis du den Fremden verhört hast, Nerva-Than. Zusatzkenntnisse sind immer willkommen und können einem das Leben retten. Schließlich sind wir keine Selbstmörder."
„Du bestimmt nicht, Wido", murmelte Narktor streitlustig. „Schluß damit!" entschied sie. Erstaunt nahm die Frau zur Kenntnis, daß beide Männer auf Kommando schwiegen. „Bis zum ersten Tageslicht warten wir noch ab - und dann geht's los mit der Erkundung. Legt euch irgendwo schlafen, ihr beiden."
Während sich Narktor und Wido Helfrich kommentarlos einen Platz suchten und das Feuerzeug verlöschen ließen, schlüpfte Nerva-Than aus dem Schutzanzug. Diese Nacht wollte sie auf der struppigen Lagerstatt verbringen, die ihr in den letzten Monaten zur Gewohnheit geworden war. Narktors Gesicht tauchte vor ihrem innern Auge auf.
Hatte sie sich am Ende in den streitlustigen Mann verliebt?
Als sie am nächsten Morgen erwachte, schaute der Fremde sie mit geweiteten Augen an. Seine Sehwerkzeuge ähnelten zwar ihren eigenen, lagen aber tief in den Höhlen und waren kleiner. Ungemein starr wirkte der Blick des Fremden so, als wolle er Stück für Stück ihr Äußeres erfassen nd auf ewig im Gedächtnis behalten.
Nerva-Than wandte sich schaudernd ab. Sie mußte sich über den Gesichtsausdruck des Fremden hinwegsetzen, sonst würde sie kaum sinnvoll mit ihm arbeiten können. Vielleicht mußte sie nur an die zerstörte PIG-Station denken, an all die Menschenleben und natürlich an die verbrannten Kekkerek-Kolonien nahebei. Ja, dann würde es gehen. Das wußte sie. „Narktor! Aufstehen!" Sie faßte vorsichtig die Schulter des rotbärtigen Mannes und rüttelte. Anschließend nahm sie sich Wido Helfrich vor. „Es geht los, ihr Schlafmützen! Draußen lacht die Sonne, wie man so schön sagt."
Narktor brummte ein paar unverständliche Worte in seinen Bart, raffte sich schließlich aber doch noch auf.
Wido Helfrich, der dürre Terraner, schaute derweil bereits aus einer der Sichtluken in den angrenzenden Urwald hinaus. „Wie wär's mit Frühstück?" wollte er wissen.
Nerva-Than überlegte kurz. „Bisher ist euch die Nahrung von Finisterre gut bekommen. Trotzdem meine ich, daß wir von nun an auf die Konzentrate der SERUNS zurückgreifen sollten. Zwei Männer von eurer Sorte essen mehr, als vier Kekkerek am Tag sammeln können."
Narktor gab erneut unverständliche Wort von sich, während Wido Helfrich verständnisvoll zustimmte.
Beide spülten mit ein paar Schlucken Wasser ihre Konzentratwürfel hinunter. „Ah, sieh an", meinte Narktor da, „unser >Gast< ist wach. Hat er inzwischen gesprochen?"
„Kein Wort, aber ich habe schon so meine Ideen." Nerv-Than beschloß, die Auseinandersetzung mit diesem Thema auf spätere Stunden zu verschieben. Zunächst jedoch nahm sie eine gefüllte Wasserkaraffe und plazierte sie so, daß der Fremde hineinsehen, die Karaffe allerdings nicht erreichen konnte. „Nur eine erste Maßnahme", erklärte sie den beiden verblüfften Männern. „Ich werde meine Kekkerek anweisen, während unserer Abwesenheit hier drinnen ein kleines Feuer anzuzünden. Es soll warm werden, versteht ihr? Warm und trocken."
„Das ist Folter", erklärte Wido Helfrich. „Keineswegs. So etwas nenne ich meine Verhandlungsposition verbessern, und im übrigen ist das, was die Fremden getan haben, Massenmord. Unter diesen Umständen darf ich mir mit etwas Wasser wohl ein paar Worte erkaufen."
„Wie du willst", mischte sich Narktor ein. „Laß nur, Wido; sie hat völlig recht. Brechen wir lieber auf. Wir haben viel vor, wenn ich mich nicht irre."
„Folgt mir", sagte sie, „und kommt bloß nicht auf die Idee, für den Abstieg eure SERUNS benutzen zu wollen. Zwar ist die Ortungsgefahr gering, aber sie ist vorhanden. Kein überflüssiges Risiko."
Sie erreichten wohlbehalten
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