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1356 - Am Abgrund des Lebens

1356 - Am Abgrund des Lebens

Titel: 1356 - Am Abgrund des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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außen vergittert. Wenn jemand hinausschauen wollte, musste er seinen Kopf schon sehr weit in den Nacken legen. Irgendwie besaß dieses Fenster einen symbolhaften Charakter. Der Weg in die Freiheit war zwar vorhanden, aber er lag meilenweit entfernt.
    Wer hier einsaß, der kam auf dem normalen Weg nicht mehr raus, das stand fest.
    Ich schaute noch mal auf van Akkeren. Irgendwie schien er mitbekommen zu haben, dass jemand von der Tür stand und ihn beobachtete. Das lag an seinem Instinkt. Er hob mit einer ruckartigen Bewegung den Kopf und drehte ihn etwas zur Seite, sodass er jetzt die Tür in den Blick bekam.
    Er konnte mich nicht sehen, das wusste ich. Dennoch zuckte ich leicht zusammen, als sein Blick die Tür traf.
    Der Grusel-Star grinste plötzlich. Dann legte er seine Hände flach wie zum Gebet zusammen und streckte die Arme der Tür entgegen.
    In seine Augen trat ein seltsamer Glanz. Ich sah, dass sich seine dünnen, feuchten Lippen bewegten. Wahrscheinlich sagte er etwas, aber er sprach so leise, dass ich nichts verstand.
    Ich nahm meinen Kopf wieder zur Seite. Der kleine Lederlappen fiel wieder vor das Guckloch.
    »Und?«, fragte Suko.
    »Schau selbst nach«, erwiderte ich mit leicht gepresster Stimme.
    »Er sitzt auf dem Bett.«
    »Okay.«
    Ich ließ Suko in Ruhe und schaute zu Boden, um meinen Gedanken nachzuhängen.
    »Schlimm, Mr. Sinclair?«, fragte Dr. Turgis.
    »Ja, auf eine gewisse Art und Weise schon, wenn man weiß, wie er früher ausgesehen hat.«
    »Sie sagen es. Aber das Leben zeichnet auch Spuren in die Gesichter unserer besonderen Gäste.«
    »Klar. Und das über Jahre hinweg.« Mir fiel eine Frage ein, die ich sofort stellte. »Wenn die Menschen hier in der Klinik sterben, wo werden sie eigentlich begraben?«
    Dr. Turgis lächelte schmal. »Nicht hier auf dem Gelände. Es gibt einen Friedhof in der Nähe. Die Menschen, die ihn kennen, nennen ihn Totenacker der Verlorenen.«
    »Sehr sinnig.«
    »Aber auch passend.«
    Suko hatte genug gesehen und drehte sich von der Tür weg. Unsere Blicke trafen sich.
    »Dein Kommentar?«
    Suko zuckte mit den Schultern. »Erschütternd, würde ich sagen. Aber er hat es verdient.«
    Genau mit dieser Antwort hatte er mir aus der Seele gesprochen.
    Für uns hätte der Fall van Akkeren eigentlich erledigt sein können.
    Dafür würde ich jedoch nicht die Hand ins Feuer legen. Er lebte noch. Solange er existierte, würde er nicht aufgeben, auch wenn er von dicken Mauern umgeben war.
    Ich kannte ihn. Er würde nach einer Chance suchen, und er würde sie auch bekommen.
    Ich ging mit meinen Überlegungen sogar noch einen Schritt weiter und sprach davon, dass jemand wie van Akkeren bereits an seiner Befreiung arbeitete.
    »Unmöglich!«, hielt mir Dr. Turgis vor. »Aus dieser Klinik ist noch nie jemand entwichen. Ich kann Ihnen versprechen, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird.«
    »Nichts bleibt ewig«, sagte Suko.
    Der Arzt wollte über dieses Thema nicht mehr reden. Das gab er durch eine scharfe Handbewegung zu erkennen. »Sie haben van Akkeren jetzt gesehen. Stellt sich nur die Frage, ob es Ihnen reicht.«
    »Nein«, sagte ich, »das reicht uns nicht.«
    Dr. Turgis blickte mich an, als wollte er mir widersprechen.
    Schließlich stellte er die Frage, die ihm schwer fiel, auszusprechen.
    »Sie wollen also hinein in die Zelle und mit ihm reden?«
    »Ja, Doktor, genau das wollen wir…«
    Er sagte nichts mehr, sondern nickte so schwer, als hingen Bleigewichte an seinem Hals. Er sprach auch nicht mehr weiter. Wahrscheinlich war er der Einzige, der einen Generalschlüssel bei sich trug. In seinem Gesicht bewegte sich nichts, als er die schwere Tür aufschloss…
    ***
    Das Öffnen der Tür und das Eintreten in die Zelle glich einem bühnenreifen Auftritt. Dabei gab es nur einen Zuschauer, und das war Vincent van Akkeren.
    Er verließ seinen Platz nicht. So konnte er uns entgegenschauen.
    Möglicherweise tat er es sogar mit einem gewissen Interesse, und ich richtete meinen Blick auf sein Gesicht, um zu sehen, was sich darin abspielte. Wenn er mich sah, musste er einfach Emotionen zeigen. Er war keine Maschine. Außerdem hatten wir uns schon zu oft gegenübergestanden.
    Ja, er erkannte mich oder uns. Plötzlich erschien auf seinem Gesicht ein breites Grinsen. Zusätzlich klatschte er noch in die Hände und freute sich wie ein kleines Kind.
    »Besuch, Besuch. Wer sagt es denn? Das ist ja wunderbar. Einfach phänomenal.«
    Wir sagten zunächst mal nichts. Keiner von uns

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