1356 - Am Abgrund des Lebens
essen, doch das musste man sich aus einem Automaten ziehen, ebenso wie die Getränke, und dazu gehörte auch der Kaffee, der in unseren Brechern schwappte.
Ich hatte ein paar kleine Schlucke getrunken und dabei festgestellt, dass auch der Zucker aus der Tüte ihn nicht geschmacklich veränderte. Das Zeug blieb dünn, geschmacklos und verdiente den Namen Kaffee kaum.
»Es ist nicht die schönste Umgebung«, sagte der Arzt. »Aber sie passt in die Klinik, und die Fenster sind größer als in den Zellen.«
Nach dieser Erklärung musste er selbst lachen.
»Darüber will ich mich auch nicht beschweren«, sagte ich und schaute auf Sukos Becher, der nicht mehr vor ihm stand.
Er hatte ihn zur Seite geschoben. »Es geht mehr um den Kaffee.«
Dr. Turgis grinste. »Für ihn sind wir nun wirklich nicht verantwortlich. Dann müssen Sie sich bei der Firma beschweren, die den Automaten aufgestellt hat.«
»Ich weiß.«
Der Arzt war wohl keinen besseren Kaffee gewohnt – klar, er hatte auch keine Glenda Perkins –, deshalb trank er den Becher fast leer und stellte ihn wieder vor sich hin.
»Jetzt muss ich Ihnen natürlich die alles entscheidende Frage stellen. Wie geht es jetzt weiter mit Ihnen? Ich meine, Sie sind ja nicht grundlos hier erschienen. Sie wollten etwas herausfinden. Ist es Ihnen gelungen?«
Suko übernahm das Wort. »Ja und nein.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wir haben bestimmte Annahmen eher bestätigt bekommen. Er sitzt hier ein, aber er hat nicht aufgegeben oder sich mit seinem Schicksal abgefunden. Er ist fast wie immer. Man könnte sogar sagen, dass er hoffnungsfroh ist. Und das ist nicht gespielt.«
Dr. Turgis hatte so seine Zweifel. Er wandte sich an mich. »Sind Sie auch der Ansicht?«
»Ja, Doktor, das bin ich. Sie dürfen nicht den Fehler machen und einen Vincent van Akkeren mit einem der übrigen Insassen hier vergleichen. Bei ihm steckt mehr dahinter.«
»Was denn?«
»Das kann ich Ihnen im Einzelnen nicht sagen. Ich würde von einer mächtigen Kraft sprechen.«
Dr. Turgis hatte schnell begriffen. »Dann glauben Sie an eine mögliche Befreiung oder an einen Versuch. Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass man unsere Patienten nicht befreien kann. Es sei denn, man trifft mit einer halben Hundertschaft hier ein, aber eine so große Lobby hat keiner der Leute, die hier einsitzen.«
»Nein, nein, davon rede ich auch nicht. Bei ihm sind es andere Wesen, die dahinter stecken. Andere Mächte. Und sie reagieren nun mal anders als irgendwelche Gangsterbanden, die ihren Kumpel befreien wollen. Das mal vorweggenommen.«
Dr. Turgis schüttelte den Kopf. »Wenn man Sie so hört, könnte man es mit der Angst zu tun bekommen. Mir fehlt die Fantasie, das alles zu begreifen. Das rutscht in ein Gebiet hinein, dass ich nicht nachvollziehen kann.«
»Es ist auch nicht wichtig.«
»Gut, Mr. Sinclair. Dann würde ich gern Ihr Fazit hören.«
»Natürlich. Ich glaube daran, dass die andere Seite es versuchen wird. Die Drohungen und Prophezeiungen des Insassen sind für mich nicht leer. Davon gehe ich aus.«
Der Arzt hatte den Ernst meiner Worte wohl vernommen, allein, ihm fehlte der Glaube daran, und deshalb schüttelte er auch den Kopf. »Ich denke nicht, dass Sie meine Meinung in den Grundfesten erschüttern können. Ich halte dagegen. Es wird keine Befreiungsaktion geben. Dann müssten wir schon einen kriegerischen Angriff erleben, und daran kann ich einfach nicht glauben.«
»Verständlich«, meinte Suko. »Ich an Ihrer Stelle hätte nicht anders reagiert. Aber man muss trotzdem damit rechnen. Einer wie van Akkeren blufft nicht.«
Dr. Turgis ballte seine Hände. Es sah so aus, als wollte er sie auf den Tisch schlagen, überlegte es sich aber anders und schüttelte zunächst den Kopf.
»Dann sagen Sie mir doch bitte, wie hier ein Angriff über die Bühne laufen soll?«
»Das können wir leider nicht.«
Turgis schaut uns an. »Ach, dann besteht bei Ihnen auch nur ein Verdacht, für den es keinen Beweis gibt?«
»So kann man es nennen.«
Dr, Turgis lachte. »Was macht Sie dann so nervös? Sie greifen doch auch nur ins Leere. Sie haben keine Spuren. Es gibt nichts, was auf bestimmte Vorgänge hinweist. Ich glaube, dass Sie hier völlig falsch liegen. Ich will Sie nicht kritisieren, aber ich weiß, was ich an dieser Klinik habe. Eine Flucht hat es bei uns noch nie gegeben. Wohl mal einen Versuch, aber der wurde schnell gestoppt. Ich bin weiterhin der Meinung, dass die Sicherheit gewährleistet
Weitere Kostenlose Bücher