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seine leuchtende Flagge, die größte auf der englischen Seite, wehte schräg über ihm, und die Franzosen reagierten mit einem neuen, von Gebrüll begleiteten Vorstoß, doch die Engländer erwiderten den Kriegsruf und stürmten selbst vor. Krachend trafen Schilde aufeinander, Waffen wurden niedergeschmettert und vorgestoßen, und es waren die Engländer, die Boden gewannen. Die Männer, die mit dem Schutz des Prince of Wales betraut waren, gehörten zu den erfahrensten und grausamsten Kämpfern der gesamten Armee. Sie hatten Dutzende von Schlachten geschlagen, von Crécy bis zu kleineren Gefechten, und sie kämpften mit kaltblütiger Unbarmherzigkeit. Die beiden Franzosen, die am dichtesten an den Prinz herangekommen waren, gingen augenblicklich zu Boden. Keiner von ihnen wurde getötet. Der eine war halb betäubt von einem Keulenhieb, der andere bekam einen Axtschwung auf den rechten Ellbogen ab, der den Knochen zerschmetterte und ihn unbewaffnet dastehen ließ. Er wurde von seinen Gefährten nach hinten gezogen, und diese Rückzugsbewegung steckte die Franzosen rechts und links an. Der halbbetäubte Mann versuchte aufzustehen, doch der Prinz beförderte ihn mit einem Tritt auf den Rücken und stellte seinen Fuß auf seine Armschiene. «Mach Schluss mit ihm», sagte er zu dem Mann hinter sich, und der Mann schob mit seinem stahlgepanzerten Stiefel das Helmvisier des am Boden liegenden Mannes auf und rammte sein Schwert hinab. Blut spritzte auf den Prinzen.
«Macht mir Platz!», brüllte der Prinz. Er trat vor und schwang die Kriegsaxt, spürte die Erschütterung bis in den Oberarm, als sich die Klinge in die Hüfte eines Mannes grub. Er zerrte die Waffe frei und stieß sie vorwärts. Der Schaft trug eine Stahlspitze, die den Brustpanzer des Verletzten eindellte, ihn aber nicht durchbohrte. Der Mann taumelte, und der Prinz trat einen weiteren Schritt vorwärts, hieb mit der schweren Waffe nach dem Hals des Mannes, und die scharfe Klinge fuhr durch das Kettengeflecht, das der Mann unter seinem Helm trug, um seinen Hals und seine Schultern zu schützen. Der Mann wankte, und der Prinz trat ihn zu Boden und holte nach einem weiteren Gegner aus. Er kämpfte ohne Visier, und er sah den Dauphin Charles keine zehn Schritt entfernt klar vor sich. «Komm und kämpf mit mir!», brüllte er auf Französisch. «Du und ich! Charles! Komm und kämpf!»
Der Dauphin, mager und ungeschickt, wie er war, machte sich nicht die Mühe zu antworten. Er sah den Prince of Wales einen Mann mit seiner Axt niederschlagen und sah einen Franzosen mit seiner gekürzten Lanze vorstoßen und den Wappenrock des Prinzen zerfetzen. Unter dem Wappenrock war reliefartig sein Wappen in den Brustpanzer eingearbeitet. Die Lanze stieß erneut vor, und der Prinz hieb dem Angreifer seine Axt in die Schulter. Der Dauphin sah, wie die breite Klinge die Rüstung durchdrang und helles Blut aufspritzte. «Zurück, Euer Hoheit», sagte einer der Beschützer des Dauphins. Dieser Beschützer hatte erkannt, dass der gegnerische Prinz entschlossen war, sich zu dem französischen Thronerben durchzukämpfen. Das durfte nicht geschehen. Die Engländer kämpften wie die Dämonen, also würde es vielleicht doch geschehen, wenn er nicht handelte. «Zurück, Euer Hoheit», sagte er noch einmal, und dieses Mal zog er den Dauphin weg.
Der Dauphin war sprachlos. Er hatte sich selbst damit überrascht, wie gering seine Angst war, als die Schlacht einmal begonnen hatte. Ja, er wurde gut bewacht, und die Männer, die für seine Sicherheit Sorge tragen mussten, waren allesamt überaus geschickte Kämpfer. Er hatte sein Bestes versucht. Er hatte ein Schwert heftig gegen einen feindlichen Ritter geführt und geglaubt, den Mann verletzt zu haben. Aber vor allem anderen hatte ihn der Kampf in seinen Bann geschlagen. Er hatte die Schlacht mit verständigem Blick verfolgt, und auch wenn ihn das Gemetzel abstieß, so fand er es doch beeindruckend. Es war eine törichte Art, wichtige Angelegenheiten zu entscheiden, dachte er, denn der Ausgang der Entscheidung war mit Bestimmtheit ebenso unsicher wie der Ausgang eines Glücksspiels. Gab es keinen klügeren Weg, einen Gegner zu schlagen?
«Zurück, Sire!», brüllte ihm ein Mann zu, und der Dauphin ließ sich durch die Lücke in der Hecke zurückziehen. Wie lange hatte der Kampf gedauert? Es schienen ihm Minuten zu sein, doch nun nahm er wahr, dass die Sonne hoch über den Bäumen stand, also musste es zumindest eine Stunde gewesen sein!
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