1356
Angst entleerten, rochen den Wein und das Bier im Atem der anderen, rochen das Blut, das den Boden schlüpfrig werden ließ. Brutale Zusammenstöße wechselten mit kurzem Innehalten ab, wenn die Männer Atem schöpften. Thomas hatte die gekürzte Lanze aufgehoben. Er hatte keine Ahnung, wo seine eigenen Waffen waren, vermutlich auf einem Packpferd, das vielleicht auf den Hügel geführt worden war. Die Lanze musste für den Moment genügen. Die Franzosen, von denen etwa einhundert ganz in der Nähe waren, beobachteten sie hinter geschlossenen Visieren, bereiteten sich auf den nächsten Angriff vor. Die meisten trugen einen hellblauen Wappenrock mit zwei roten Sternen. Er fragte sich, welchem Herrn sie wohl dienten und ob dieser Herr bei ihnen war. Thomas’ Bogenschützen waren mit Streitäxten oder Keulen bewaffnet. Die walisischen Bogenschützen sangen ein Kampflied in ihrer eigenen Sprache. Thomas vermutete, dass in dem Lied ein Sieg über die Engländer gefeiert wurde, aber wenn es ihnen half, die Franzosen niederzumachen, dann konnten sie von englischen Niederlagen singen, bis die Hölle zufror.
«Die Linie hält!», rief der Earl of Oxford vom Pferderücken aus. «Lasst nicht zu, dass sie die Linie aufbrechen!»
Ein hochgewachsener Mann mit einem Morgenstern drängte sich bis vor die Linie der Engländer. Er trug einen Plattenharnisch, keinen Wappenrock, und sein Beckenhaubenhelm mit Visier war blutbespritzt. Um die Hüfte trug er einen Schwertgürtel mit einer schweren Waffe. Die meisten Männer verzichteten in der Schlacht auf ihr Schwert, weil sie fürchteten, es könnte sie zum Stolpern bringen, aber dieser Gegner brauchte die Schwertscheide für das Schwert, damit er den monströsen, blutbeschmierten Morgenstern schwingen konnte.
Der Schaft des Morgensterns war beinahe so lang wie ein Bogenstab, und der Kopf der Waffe war eine Eisenkugel von der Größe eines Säuglingskopfs. Eine lange Stahlspitze ragte daraus hervor, und ein Dutzend kürzere Spitzen bildeten einen Kranz darum. Der Mann hob die Waffe. Das Schnauzenvisier seines Helms bewegte sich von einer Seite zur anderen, als er an der Linie der Hellequin entlangblickte. Er hatte zwei Gefährten bei sich, die beide kleine, abgenutzte Turnierschilde trugen. Einer war mit einer Streitaxt bewaffnet, der andere mit einer
Goupillon
, die einen kurzen Holzgriff besaß, an dem mit einer dicken Kette eine spitzenbesetzte Holzkugel befestigt war. Ein Kriegsflegel. «Sie sind zum Sterben hierhergekommen», sagte der große Mann mit dem Morgenstern laut genug, damit Thomas es hören konnte, «also tun wir den Bastarden den Gefallen.»
«Die Streitaxt töten wir zuerst», sagte Karyl leise. Der Mann mit dieser Waffe hatte zusätzlich einen Schild, und das bedeutete, dass er die große Hakenaxt nicht mit ganzer Kraft einsetzen konnte.
«Willst du sterben?», rief der große Mann.
Aus nördlicher Richtung kam der Lärm eines unvermittelten Tumults: Rufe, klirrendes Metall, Schreie. Der Gegner unternahm wohl einen wilden Versuch, die Linie zu durchbrechen, dachte Thomas, und er betete, dass die Engländer und ihre gascognischen Verbündeten durchhielten, und dann hatte er keine Zeit zum Beten mehr, denn der große Mann mit dem spitzenbesetzten Morgenstern griff an. Er ging geradewegs auf Thomas los, der als einziger unter den Waffenknechten in der englischen Linie keine Plattenrüstung trug.
«Sankt Denis!», brüllte der große Mann.
Und Sankt Denis traf auf Sankt Georg.
Kardinal Bessières beobachtete den Kampf vom französischen Hügel aus. Er saß auf einem starken und geduldigen Pferd, trug sein Kardinalsgewand und hatte sich, nicht unbedingt passend dazu, eine Beckenhaube über den Kopf gezogen. Er stand nur wenige Schritt von König Jean entfernt, der ebenfalls zu Pferd war, doch der König hatte die Sporen abgelegt, wie der Kardinal bemerkt hatte, und das deutete darauf hin, dass der König, wenn er sich am Kampf beteiligte, zu Fuß kämpfen würde. Philippe, der jüngste Sohn des Königs, und die übrigen Ritter und Waffenknechte waren alle abgesessen. «Was geht da vor sich, Euer Majestät?», erkundigte sich der Kardinal.
Der König war sich der Antwort nicht ganz sicher, und es reizte ihn, dass sich der Kardinal mit seinem lächerlichen Helm so dicht bei ihm hielt. Er mochte Bessières nicht. Der Mann war der Sohn eines Händlers, bei Gott, aber dann war er in der Kirche bis zum päpstlichen Legaten aufgestiegen und machte sich, wie der
Weitere Kostenlose Bücher