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und schlammverschmiert. Sie trugen ihr Haar offen, doch kein Einwohner aus Paris wagte es, sie zu verspotten, denn diese zerlumpten Frauen waren genauso bewaffnet wie ihre Männer und sahen auch genauso gefährlich aus.
Die Reiter und ihre Diener hielten mitten in der Stadt beim Fluss an und teilten sich dort in kleine Einheiten, die sich Unterkünfte suchten, nur eine Gruppe von einem halben Dutzend Männern, deren Diener besser gekleidet waren als die anderen, überquerte die Brücke zu einer Insel in der Seine. Sie ritten durch gewundene Gassen, bis zu einem vergoldeten Tor, an dem livrierte Speerträger Wache standen. Dahinter befanden sich ein Innenhof, Stallungen, eine Kapelle und Treppen, die in den königlichen Palast führten, und das halbe Dutzend Reiter wurde mit Verbeugungen begrüßt, ihre Pferde wurden weggeführt, und sie wurden über Treppen und Flure in ihre Quartiere geleitet.
William, Lord of Douglas und Anführer der zweihundert Waffenknechte, bekam ein Zimmer, das zum Fluss hinausging. Hornplättchen bildeten die Fensterscheiben, aber er schlug sie heraus, um die feuchte Luft in den Raum zu lassen, wo ein lebhaftes Feuer im Kamin prasselte. Der Lord of Douglas stand am Kamin, in den das französische Königswappen eingemeißelt war, während Bedienstete Bettzeug, Wein, Essen und drei Frauen hereinbrachten. «Ihr könnt Eure Wahl treffen, Messire», sagte der Haushofmeister.
«Ich nehme alle drei», sagte Douglas.
«Eine kluge Wahl, Messire», gab der Haushofmeister mit einer Verbeugung zurück, «gibt es sonst noch etwas, das Eure Lordschaft wünscht?»
«Ist mein Neffe hier?»
«Er ist hier, Messire.»
«Dann will ich ihn sehen.»
«Er wird zu Euch geschickt», sagte der Haushofmeister, «und Seine Majestät erwartet Euch zum Abendessen.»
«Richtet ihm aus, dass ich dem Abend mit Freude entgegensehe», sagte Douglas ausdruckslos. William, Lord of Douglas, war achtundzwanzig Jahre alt und sah aus wie vierzig. Er hatte einen gestutzten braunen Bart, ein von vielen Gefechten vernarbtes Gesicht und Augen, die so kalt waren wie der Winterhimmel. Er sprach vollendet Französisch, denn er hatte einen großen Teil seiner Jugend in Frankreich verbracht, um die Regeln des französischen Rittertums zu erlernen und sich im Gebrauch von Schwert und Lanze zu perfektionieren, doch seit zehn Jahren war er wieder zu Hause in Schottland, wo er Anführer des Douglas-Clans geworden war und Magnat im schottischen Ständerat. Er war gegen den Waffenstillstand mit England eingetreten, doch die übrigen Ratsmitglieder hatten ihn durchgesetzt, und deshalb hatte der Lord of Douglas seine besten Waffenknechte nach Frankreich gebracht. Wenn sie die Engländer nicht zu Hause bekämpfen konnten, dann würde er seine Männer in Frankreich auf den alten Feind loslassen.
«Zieht euch aus», sagte er zu den drei Mädchen. Einen Augenblick lang sahen sie ihn erstaunt an, doch Douglas’ grimmiger Gesichtsausdruck ließ sie gehorchen. Ein gutaussehender Mann, dachten alle drei, groß und muskulös, aber er hatte ein Kriegergesicht, hart wie eine Klinge und vollkommen mitleidlos. Es versprach eine lange Nacht zu werden. Die drei waren nackt, als Douglas’ Neffe hereinkam. Er war nicht viel jünger als sein Onkel, hatte ein breites, fröhliches Gesicht und trug eine Samtjacke mit Goldstickerei über himmelblauen, hautengen Beinlingen, die in weichen Lederstiefeln steckten, von denen Quasten aus Goldfäden herabhingen. «Was zum Teufel hast du da an?», fragte Douglas.
Der junge Mann zupfte an dem bestickten Saum seiner Jacke. «Das trägt heute jeder in Paris.»
«Gütiger Gott, Robbie, du siehst aus wie eine Edinburgher Hure. Was hältst du von den dreien hier?»
Sir Robert Douglas drehte sich um und musterte die drei Mädchen. «Die in der Mitte gefällt mir», sagte er.
«Lieber Himmel, die ist so dünn, dass man sie als Stopfnadel benutzen könnte. Ich mag Mädchen mit Fleisch auf den Rippen. Also, was hat der König entschieden?»
«Abwarten.»
«Lieber Himmel», sagte Douglas erneut und ging zum Fenster, um auf den Fluss zu starren, der vom Regen gepeitscht wurde. Jauchegestank stieg von dem träge strömenden Wasser auf. «Weiß er, welche Gefahr droht?»
«Ich habe es ihm erklärt», sagte Robbie. Er war nach Paris geschickt worden, um die Bedingungen mit König Jean auszuhandeln. Die Männer seines Onkels würden vom französischen König bezahlt und ausgerüstet werden, und nun waren die Männer
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