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habt?»
Der Comte überlegte, ob er behaupten sollte, die Münzen befänden sich noch in der Burg von Villon, doch der Bogenschütze mit seiner halbgespannten Waffe und
le Bâtards
Miene waren unversöhnlich, also sagte der Comte widerwillig die Wahrheit. «Sie sind in Labrouillade.»
«Dann werdet Ihr einen Eurer Waffenknechte nach Labrouillade schicken», sagte Thomas höflich, «und zwar mit dem Befehl, das Geld hierherzubringen. Und sobald das geschehen ist, Messire, lassen wir Euch gehen.»
«Ihr lasst mich gehen?» Der Comte war überrascht.
«Was könntet Ihr mir nützen?», fragte Thomas. «Es würde Jahre dauern, bevor das Lösegeld für Euch aufgebracht wäre, Messire, und in diesen Jahren würdet ihr mehr essen, als man mit dem Lösegeld bezahlen könnte. Nein, ich werde Euch gehen lassen. Und nun, Messire, nachdem Ihr nach den Münzen geschickt habt, werdet Ihr uns wohl erlauben, den Pfeil aus Eurem Oberschenkel zu holen.»
Einer der gefangenen Waffenknechte wurde gerufen und mit einem Pferd und der Nachricht losgeschickt. Danach rief Thomas nach Bruder Michael. «Ihr wisst, wie man einen Pfeil aus dem Fleisch holt?»
Der junge Mönch sah ihn erschrocken an. «Nein, Herr.»
«Dann schaut zu, wie Sam es macht. Da könnt Ihr etwas lernen.»
«Ich will das nicht lernen», stieß Bruder Michael hervor, dann sah er beschämt zu Boden.
«Ihr wollt es nicht lernen?»
«Ich mag die Medizin nicht», gestand der Mönch, «aber mein Abt hat darauf bestanden, dass ich mich darin ausbilde.»
«Und was wollt Ihr in Wahrheit tun?»
Michael sah ihn verwirrt an. «Gott dienen?», schlug er vor.
«Dann dient ihm, indem Ihr lernt, wie man einen Pfeil aus der Wunde holt», sagte Thomas.
«Ihr solltet beten, dass es eine Ahlspitze ist», erklärte Sam dem Comte heiter. «Es wird so oder so schmerzen, aber eine Ahlspitze kann ich im Handumdrehen herausholen. Wenn es ein Fleischpfeil ist, muss ich den Bastard herausschneiden. Seid Ihr bereit?»
«Ahlspitze?», fragte der Comte mit schwacher Stimme. Sam hatte Englisch gesprochen, doch der Comte hatte ihn halbwegs verstanden.
Sam zog zwei Pfeile aus seiner Tasche. Einer hatte einen langen, schlanken Kopf ohne Widerhaken. «Eine Ahlspitze, Messire, die sich durch Rüstungen bohren kann.» Er tippte damit den zweiten Pfeil an, der einen dreikantigen Kopf mit Widerhaken hatte. «Ein Fleischpfeil», sagte er und zog ein kurzes Messer aus seinem Gürtel. «Dauert nicht lange. Seid Ihr bereit?»
«Ich lasse mich von meinem Leibarzt behandeln!», rief der Comte Thomas zu.
«Wie Ihr wünscht, Messire», sagte Thomas. «Sam? Schneide den Schaft ab und verbinde die Wunde.»
Labrouillade schrie auf, als der Pfeilschaft abgeschnitten wurde. Thomas ritt zu dem Karren, auf dem der Comte de Villon lag. Der blutbeschmierte, nackte Mann lag zusammengekrümmt auf der Seite. Thomas stieg ab, band sein Pferd an die Deichsel und rief Villons Namen. Der Comte rührte sich nicht, und Thomas stieg auf das Fuhrwerk, drehte den Mann um und sah, dass er tot war. In dem Karren schien genügend geronnenes Blut zu stehen, um ein paar Kübel damit zu füllen. Thomas verzog das Gesicht und sprang von dem Karren, dann wischte er sich seine Stiefel an dem blassen Gras ab, bevor er zu dem Käfigkarren ging, von wo aus ihn Comtesse Bertille mit weit aufgerissenen Augen beobachtete. «Der Comte de Villon ist tot», sagte Thomas.
«Warum habt Ihr den Comte de Labrouillade nicht getötet?», fragte sie mit einer Kopfbewegung zu ihrem Mann.
«Ich töte keinen Mann, weil er mir Geld schuldet», sagte Thomas, «sondern nur, wenn er es mir nicht zahlen will.» Er zog sein Schwert und brach damit das schwache Schloss an der Käfigtür auf, dann streckte er die Hand aus, um der Comtesse auf die Wiese herunterzuhelfen. «Euer Gemahl», sagte er, «wird bald frei sein und kann gehen. Ebenso wie Ihr, Madame.»
«Ich gehe nicht mit ihm!», sagte sie trotzig. Mit großen Schritten ging sie über die Wiese zu Labrouillade. «Er kann mit den Schweinen schlafen», sagte sie und deutete auf die beiden toten Wildschweine auf dem Käfigkarren, «er wird keinen Unterschied bemerken.»
Der Comte versuchte auf die Füße zu kommen, um seine Frau zu schlagen, aber Sam, der ihm gerade die Wunde mit einem Leinenstreifen verband, den er vom Hemd eines Toten abgerissen hatte, zog das Leinen so fest zusammen, dass der Comte erneut vor Schmerz aufschrie. «Verzeiht, Messire», sagte Sam. «Haltet am besten still, Sire, es
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