1357 - Nach dem Holocaust
präsentierte ihre Zähne, bereit, in die erste Hand zu beißen, die in ihre Reichweite geriet. Darauf schien das Tier nur gewartet zu haben. Es öffnete die Hand und ließ etwas in Sue-Els Mund fallen.
Die Kartanin hätte den kleinen runden Gegenstand beinahe verschluckt. Mit einiger Mühe würgte sie ihn in den Mund zurück und spuckte ihn aus. „Wollt ihr mich auch noch vergiften?" schrie sie empört.
Das Tier, das ihr die Kugel gegeben hatte, starrte sie an. Dann blickte es auf seine Hand, in der es weitere Kugeln hielt. Es steckte eine davon in den Mund und kaute genüßlich. Dann hielt es die Hand wieder über Sue-Els Mund und wartete.
Sue-El-K'yon drehte den Kopf zur Seite, fest entschlossen, sich auf keinerlei Experimente einzulassen.
Aber die grünpelzigen Tiere waren ungeheuer geduldig, und allmählich schliefen der Kartanin Arme und Beine ein. Wenn das so weiterging, würde sie sich kaum bewegen können, falls es ihr gelang, sich doch noch irgendwie loszureißen. Dann waren ihre Chancen, ihrem Schicksal zu entgehen, gleich Null. Also wagte sie es schließlich doch: Sie öffnete den Mund und ließ es zu, daß das Tier eine der Kugeln hineinfallen ließ. Dann machte sie den Mund wieder zu, tat, als würde sie kauen und schlucken, und bemühte sich danach um ein freundliches Gesicht.
Die Wirkung war verblüffend: Die Tiere brachen in ein sehr fröhlich klingendes Geschnatter aus.
Gleichzeitig gaben sie Sue-El frei.
Sie stellte fest, daß sie sich geirrt hatte: Die Tiere brauchten gar nicht noch länger auf ihren Armen und Beinen zu hocken, denn sie konnte sich schon jetzt kaum noch bewegen. Notgedrungen verzichtete sie daher darauf, die sofortige Flucht anzutreten. Sie hockte sich hin, rieb ihre Arme und Beine und beobachtete die Tiere, die sich eines nach dem anderen zurückzogen. Nur eines blieb da - wenn sie sich nicht irrte, war es sogar das, das sie hatte schlachten wollen. Das Wesen wußte allem Anschein nach gar nicht, in welcher Gefahr es geschwebt hatte, denn es schleppte ein paar Früchte herbei und baute sie vor der Kartanin auf. Als Sue-El nicht reagierte, wurde es handgreiflich. Es versuchte, die Kartanin zu füttern „Laß mich in Ruhe!" fauchte Sue-El wütend.
Das Wesen kümmerte sich nicht um ihren Protest, sondern stopfte ihr ein Stück Obst zwischen die Zähne, sobald sie den Mund öffnete. Sie spuckte das Zeug wieder aus und schlug nach dem Tier, aber ihre Bewegungen waren noch so langsam und so schwach, daß das Wesen bequem ausweichen konnte. Es versuchte es mit einer anderen Frucht, und erst als es seinen gesamten Vorrat an Sue-El ausprobiert hatte, zog es sich bekümmert zurück.
Sue-El wartete noch ein wenig, aber dann siegte der Hunger über den Ekel, den sie empfand. Sie nahm eine Frucht, säuberte sie, so gut es ging, und biß dann vorsichtig hinein.
Sie hatte sich noch nie sonderlich für Obst und Gemüse erwärmen können, und sie empfand den Geschmack der Frucht als aufdringlich und viel zu süß. Sie versuchte es mit einer anderen Sorte, war aber auch nicht sehr zufrieden damit und landete schließlich bei einer Anzahl jener kleinen Kugeln, die sie bereits kannte. Sie entpuppten sich als Nüsse, und sie schmeckten gar nicht so übel. Sue-El aß alles auf und stopfte sogar noch etwas von dem verachteten Obst hinterher. Danach fühlte sie sich besser.
Sie hörte noch immer Schnattern und andere Laute, die teils von den Tieren, teils von den Kranken stammten. Als sie nach draußen blickte, sah sie grüne Wesen von Zimmer zu Zimmer eilen und Nüsse, Blätter und Früchte herbeischleppen. Sogar Wasser brachten sie in großen Blättern.
Sue-El sah dem Treiben verwundert zu und fragte sich vergeblich, was die Tiere wohl zu diesem absonderlichen Verhalten treiben mochte. Es war leicht zu sehen, daß es ihnen große Mühe bereitete, sich auf dem Boden fortzubewegen und dabei auch noch die Früchte und die wassergefüllten Blätter zu tragen. Aber ebenso deutlich ließ sich erkennen, daß sie mit Eifer und Hingabe bei der Sache waren. „Warum auch nicht?" sagte Sue-El zu sich selbst. „Wenn es ihnen Spaß macht ..."
Immerhin nahmen sie ihr eine Menge Arbeit und Sorgen ab. Sie waren geduldig und geschickt im Umgang mit den Kranken, und diese wiederum schien es nicht zu stören, daß diese Wesen aus dem Dschungel von Hubei sich nicht um so überflüssige Dinge wie Sauberkeit und Hygiene scherten, daß sie die Nahrung teilweise mit den Zähnen herbeitrugen oder sie durch das
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