1357 - Nach dem Holocaust
Befriedigung, daß das Ernährungsproblem für ein oder zwei Tage gelöst war.
Sie hatte ein Tier erwischt. Es war ungefähr einen Meter groß und sehr schlank, besaß aber spürbare Muskeln und somit auch verwertbares Fleisch. Es hatte ein rundes Gesicht mit flinken, dunklen Augen darin, die die Kartanin traurig anblickten. Sue-El empfand für einen Augenblick Mitleid mit diesem Geschöpf, aber andererseits knurrte ihr der Magen. „Fressen und gefressen werden", war das Gesetz des Dschungels, und solange sie in diesem Dschungel lebte, würde sie sich danach richten müssen.
Sie zog das Tier in Richtung Küche, und es ging ganz ruhig mit. Seine Fortbewegungsweise war eigenartig und unbeholfen, denn es hatte keine richtigen Hinterbeine, sondern statt dessen drei buschige, muskulöse Schwänze.
Sue-El erinnerte sich jetzt daran, daß sie Wesen dieser Art schon oft gesehen hatte. Sie lebten in den Bäumen, und wenn sie sich still verhielten, war es fast unmöglich, sie mit bloßem Auge zu entdecken, denn ihr Fell war so grün wie die Blätter, zwischen denen sie zu sitzen pflegten. Meistens aber waren sie in Bewegung, schwangen sich durch die Wipfel der Bäume, jagten sich und spielten miteinander, als wäre ihre Energie unerschöpflich. Die Kartanin verzichteten normalerweise darauf, sie zu jagen, denn diese Tiere lebten in Gruppen, und wenn eines von ihnen verletzt wurde oder starb, so schleppten sie es mit sich, bis sie es irgendwann leid waren und das tote Mitglied ihrer Gemeinschaft einfach fallen ließen. Bis das geschah, legten sie jedoch oft viele Kilometer zurück. Die Jäger hatten somit kaum eine Chance, zu ihrer Beute zu kommen.
Aber dieses Tier befand sich bereits auf dem Boden, und Sue-El würde ihm keine Gelegenheit geben, sich auf irgendeinen Baum zu retten.
Sie hatte die Küche erreicht. Es stank noch immer nach verbranntem Fleisch und angekohlten Knochen.
Das würde sich bald ändern.
Sue-El hielt das Tier noch immer fest. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, wenn sie nur an frisches Fleisch dachte. Sie zog das Tier zu einem Tisch hinüber und ergriff das Messer, das dort lag.
Ein bißchen mulmig war ihr schon zumute, als sie in die traurigen, dunklen Augen blickte. Außerdem regte sich in ihr die verschwommene Ahnung, daß sie sich ein außerordentlich schmutziges Geschäft aufgeladen hatte.
Weg mit diesen Bedenken - sie war eine Kartanin, und sie besaß die naturgegebene Fähigkeit, sich von der Jagd zu ernähren. Zumindest hatte man ihr das mehrmals gesagt. Natürlich lebten die modernen Kartanin nicht mehr auf diese Weise, aber wenn es darauf ankam, konnten sie es tun.
Und jetzt kam es darauf an.
Sue-El-K'yon hob das Messer - und im selben Augenblick waren mindestens drei weitere grünpelzige Tiere bei ihr. Sie überwältigten sie kunstgerecht, entwanden ihr das Messer, rangen sie zu Boden und hielten sie fest. Dann schnatterten sie alle zusammen und starrten die nun wehrlose Kartanin an.
Aber Sue-El war noch nicht so wehrlos, wie die Tiere denken mochten. Sie zückte die Krallen und entblößte ihre kräftigen Zähne, und der Kampf begann aufs neue. Er endete damit, daß je eines der Tiere auf Sue-Els Armen und Beinen kauerte und sie nun endgültig wehrlos war.
Voller Wut bäumte sie sich auf, versuchte zu strampeln und sich unter den Körpern der Tiere hervorzuwinden, aber die Biester paßten auf. Sie schrie um Hilfe, so laut sie konnte, und sie hoffte verzweifelt, daß wenigstens einige der Kranken sich daran erinnerten, wer sie in den letzten Tagen versorgt hatte.
Aber die Kranken waren offenbar anderweitig beschäftigt. „Das hat man nun davon", sagte Sue-El voller Grimm zu sich selbst. „Ich hätte mich besser um mich selbst kümmern sollen, statt den anderen zu helfen. Wer hilft jetzt mir?"
Die Tiere schienen ihr aufmerksam zuzuhören, aber sie hatte keine Hoffnung, daß sie sich auf diese Weise retten könnte. Sie glaubte jetzt zu wissen, was die nächtlichen Schreie im Dschungel zu bedeuten hatten, und wahrscheinlich waren es auch diese grünen Tiere gewesen, die der Kartanin hinter dem Busch die Kehle durchgeschnitten hatten. „Worauf wartet ihr noch?" fauchte sie die Grünen an. „Bringt es endlich hinter euch. Oder macht es euch etwa auch noch Spaß, mich so zu sehen?"
Sie erhielt keine Antwort, aber die Tiere trafen auch keine Anstalten, sich auf sie zu stürzen. Sie hielten sie nur fest. Dann langte eines zu Sue-Els Kopf hinauf.
Sie öffnete den Mund und
Weitere Kostenlose Bücher