1357 - Nach dem Holocaust
besonderen Instinkt, der die Wesen zwang, sich mit Kranken und Verletzten abzugeben. Vielleicht waren sie gar nicht imstande, zu erkennen, daß die Kartanin nicht Angehörige ihrer eigenen Art waren. Vielleicht reichte der Anblick fellbedeckter Haut, um bei ihnen diesen Pflegetrieb auszulösen.
Sue-El war nur froh darüber, daß sie selbst nicht zum Pflegeobjekt der Tiere geworden war. Diese Wesen hatten eigenartige Methoden, mit Verletzungen umzugehen - Methoden, die Sue-El zu anhaltender Appetitlosigkeit verhalfen, sobald sie sie zufällig zu Gesicht bekam.
Die meisten Kranken wiesen irgendwelche Verletzungen auf. Shu-Dan hatte fast all diese Kartanin im Dschungel gefunden, wo sie umhergeirrt waren, bis er sie zur Schule zurückführte, und im Dschungel gab es mehr Möglichkeiten, sich zu verletzen, als eines dieser grünpelzigen Tiere Parasiten auf dem Leib hatte. Überall wuchs dorniges Gestrüpp, es gab giftige Pflanzen, die man nur zu berühren brauchte, und schon hatte man einen nässenden Ausschlag oder noch weit schlimmere Dinge zu erwarten, und außerdem gab es Horden von Kleingetier, die bissen und stachen und ihre Eier an lebende Wesen legten.
Die Tiere kannten sich mit den Widerwärtigkeiten ihres Dschungels offenbar bestens aus, und sie hatten einige Mittelchen entdeckt, sich davor zu schützen und bereits entstandene Schäden zu heilen, was eigentlich dafür sprach, daß sie eine gewisse Intelligenz besaßen. Allerdings waren ihre Heilmethoden barbarisch, und die von ihnen verwendeten „Heilmittel" bestanden in der Regel aus zerquetschten Blättern, Früchten, Wurzeln und dergleichen. Es gab aber noch einige weit unerfreulichere Zutaten.
Sue-El beobachtete die Kranken und stellte in einigen Fällen tatsächlich fest, daß die Tiere mit ihren Heilmethoden eine positive Wirkung erzielten. In anderen Fällen waren sie erfolglos, und manchen Kartanin bekamen die fremdartigen Mittel offensichtlich überhaupt nicht.
Sue-El war sich völlig darüber im klaren, daß sie Hilfe brauchten - und zwar nicht von den Tieren, sondern von ihren Artgenossen. Wenn nicht sehr bald jemand kam, der die richtigen Medikamente mitbrachte, würde die Zahl der Überlebenden schnell weiter abnehmen.
Auch die Nahrung, die die Tiere brachten, war nicht ausreichend. Es gab genug Früchte, Nüsse und so weiter, und die Kartanin konnten sich damit vollstopfen, aber diese Art der Nahrung war zu einseitig.
Kartanin waren zwar keine reinen Fleischfresser, aber eine rein vegetarische Lebensweise entsprach einfach nicht ihren körperlichen Bedürfnissen.
Sue-El-K'yon spürte das am eigenen Leib. Sie litt darunter, genauso wie sie darunter litt, daß sie auch äußerlich mittlerweile ziemlich heruntergekommen war.
Ihr Haar war zerzaust und verklebt, ihre Kleidung schmutzig und zerrissen. Sie war am ganzen Körper zerkratzt, zerschrammt und zerbissen. Von Tag zu Tag wurde sie müder und kraftloser.
Die Tiere hatte jene Kartanin aufgetrieben, die noch immer im Dschungel umherliefen und dort bis jetzt überlebt hatten, und sie hatten sie zu dem fast völlig zerstörten Gebäude geführt. Es gab nur noch selten Streit unter den Kranken. Im Dschungel war es nachts beinahe beängstigend still.
Sue-El hatte einige Male versucht, selbst auf die Jagd zu gehen. Sie wußte, daß sie eigentlich die Fähigkeit haben sollte, Tiere zu beschleichen, zu überfallen und zu töten. Sie konnte im Dunkeln sehen, sich fast geräuschlos bewegen - sie brachte alle Voraussetzungen mit, die man für die Jagd brauchte.
Aber in der Praxis war sie erfolglos.
Und dann kamen die Fremden.
Es war das Geräusch, das Sue-El-K'yon zuerst darauf aufmerksam machte, daß etwas Ungewöhnliches im Gange war: ein fernes Singen, das sich näherte und dabei anschwoll, um sich allmählich in einem Rauschen zu verlieren.
Die junge Kartanin stöberte an der Rückseite des Gebäudes zwischen den Trümmern herum, als sie das Geräusch zum erstenmal hörte. Sie war auf der Suche nach Kleidungsstücken und anderen Dingen, und sie hatte auch tatsächlich schon einiges gefunden, was einigermaßen unversehrt geblieben war.
Das Geräusch erinnerte sie an einen Gleiter. Sie dachte an die Kartanin, die sich ja wohl irgendwann einmal darum kümmern mußten, was aus den Insassen der Esper-Schule geworden war, und darum ließ sie alles stehen und liegen und rannte aus den Trümmern hinaus auf die Lichtung.
Es war schon fast Mittag, und die Sonne stand hoch. Über dem Dschungel
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