136 - Im Schloss der Daa'muren
als auch Mamm Kalina kurz den Kopf hob. Aber Duu’da hatte die Wahrheit gesagt: Es gab kein Geschimpfe, und Janas Mutter verlangte auch nicht, dass die Mädchen helfen kamen. Sie arbeitete einfach weiter.
»Weißt du was? Ab jetzt spielen wir jeden Tag mit dir!«, sagte Ann. Dann fiel ihr ein, dass Duu’da ja nicht wusste, was das überhaupt war: Spielen. Also zeigte sie es ihm.
Im Burghof lag nur noch wenig Schnee. Die Sonne stand schon hoch und überall fielen Tropfen von den Mauern.
Trotzdem war es kalt, und die Pfützen auf dem holperigen Boden glänzten wie poliert. Ann führte Duu’da zu einer hin und zeigte auf die Eishaut.
»Tritt da mal drauf!«, verlangte sie.
»Warum?«
»Weil es Spaß macht!«
Duu’da zögerte. Vielleicht konnte er sich nicht vorstellen, was daran so toll war, auf vereiste Pfützen zu treten. Jana zwängte sich an ihm vorbei, hob den Fuß und stampfte ordentlich auf. Krach, ging es. Wasser quoll hervor, und ein Netz aus feinen Glitzerstrichen lief durch das verbliebene Eis.
Luftblasen rollten darunter her. Janas Stiefel war pitschnass, und sie lachte laut.
»Wo ist der Spaß?«, fragte Duu’da verwirrt.
Anns Augen leuchteten. »Das ist wie vom Turm spucken, weißt du? Man kann es nicht erklären! Du musst es ausprobieren!« Dann rannte sie mit Jana um die Wette zur nächsten Pfütze.
Die Mädchengaben sich alle Mühe, Duu’da zu zeigen, was Spaß war: Sie zerknackten Eisscheiben, bauten einen – wenn auch kleinen – Schneemann und spielten mit Duu’da Verstecken in den Trümmern der Löcherburg. Aber es war umsonst. Der Junge, der nie lachte, sah nur aufmerksam zu.
Anns Hände waren schon rot vor Kälte, da hatte sie eine Idee. In ihrer Jackentasche steckte noch das verkohlte Holzstück aus Mamm Kalinas Feuerstelle! Ann zog es heraus.
»Kommt, wir malen was!«, sagte sie.
Diesmal lachte Jana nicht, als Duu’da fragte, was das sei.
Sie wusste es selber nicht. Bis Ann kam, hatte sie nur Pflichten, Schlafen und Essen gekannt. Es gab keine Spielgefährten – und um sich selber etwas auszudenken, dafür fehlte Jana die Fantasie.
Ann sah sich um. Die Mauern im Burghof schimmerten alle vom tauenden Schnee. Nur unter dem Torbogen, wo Mamm Kalina soeben die blutigen Wisaaureste auflas, waren die Wände trocken.
Ann zeigte darauf und sagte zu Duu’da: »Wir müssen da vorne hin! Kannst du machen, dass Mamm Kalina weggeht?«
Sie hatte nicht wirklich daran geglaubt. Aber es klappte tatsächlich! Duu’da guckte wieder so merkwürdig nach innen, und im nächsten Moment ließ Janas Mutter die schon aufgesammelten Knochen fallen, drehte sich um und verschwand im Haus. Der Scherge folgte ihr.
»Das ist ja toll!« Ann rannte los, das Holzstück in der Hand.
Dort, wo die Mauer glatt und hell war, setzte sie an. Duu’da und Jana sahen ihr über die Schulter.
Ann brauchte nicht lange zu überlegen, was sie malen wollte. Einen großen Kringel, Haare dran, einen Strich für den Körper. Beine, Arme, viele Finger und ein Gesicht. Fertig. Sie nickte zufrieden. Man konnte ihn genau erkennen.
»Was soll das sein?«, fragte Jana.
»Das ist mein Dad«, sagte Ann. »Sieht man doch.«
Und weil das Bild so gut gelungen war, malte sie gleich weiter. Dad hatte seine Hand ausgestreckt, da kam jetzt ihre eigene hin. Ann malte sich selbst, wie sie froh war und mit Dad davon spazierte. Nach Hause.
»Du hast da was!«, hörte sie Jana sagen. Aber Ann hatte keine Zeit, hinzugucken. Deshalb sah sie auch nicht, wie ihre Freundin die Spinnweben aus Duu’das Haaren zog, die ihm der Wind im Südturm an den Kopf geklebt hatte. Erst als Duu’da sagte: »Es ist tot!«, sah Ann zu ihm hin.
Duu’da hatte ein Blatt auf der Handfläche; braun, verschrumpelt und mit Spinnweben verschnürt. Man konnte meinen, er hätte noch nie eines gesehen, so guckte er darauf – und das bei dem ganzen Wald ringsherum!
»Tot«, sagte Duu’da.
»Macht doch nichts.« Jana wischte ihm das Blatt von der Hand. »Es wachsen ja wieder neue. Darf ich jetzt auch was malen, Ann?«
Draußen vor dem Eingang waren Schritte zu hören, dann Stimmen. Überrascht sahen die Vierjährigen auf. Wer konnte das sein? Gleich darauf wussten sie es.
Nicu kam in Sicht. Er zerrte einen toten Lupa hinter sich her, festgebunden auf einer Schleppe aus Tannenästen. Dann tauchte Arpad auf, ebenfalls mit einem toten Lupa. Er trug ihn auf beiden Schultern und ging gleich hinüber zum Stallturm.
An dessen Rückseite gab es ein großes
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