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136 - Im Schloss der Daa'muren

136 - Im Schloss der Daa'muren

Titel: 136 - Im Schloss der Daa'muren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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hätte sich nie ins Tal bemüht. Wem jetzt etwas zustieß, der musste selber sehen, wie er zurecht kam – und deshalb hatte Florins Vater Alexandru Ciucanu verflucht. Bei Knochenbrüchen oder Wunden konnte man vielleicht die Nachbarn rufen, aber wenn man so schrecklichen Bluthusten hatte wie Florins Mutter, dann war man verloren.
    Es sei denn, es käme ein Arzt aus der fernen Stadt.
    Den musste man allerdings bezahlen. Mit Gold.
    Mama darf nicht sterben!, dachte der Junge, tapfer gegen den Wind gestemmt, der ihm stechend kalte Flocken ins Gesicht peitschte. Sie schmolzen auf der Haut und rollten herunter wie Tränen. Ich werde das Gold holen und Mama damit retten, ganz bestimmt! Das schwöre ich!
    Der Tod war ein ständiger Begleiter in Florins Welt und weniger mit Schrecken behaftet als Resignation. Keine Bauernfamilie blieb von ihm verschont, besonders in harten Wintern wie diesem. Auch bei den Ivanescus starrte er schon wieder gierig durch die Fenster. Florins jüngster Bruder Ioan war noch ein Säugling, im Herbst geboren und dünn wie ein Strich. Sie hatten ihn nottaufen lassen, gleich am zweiten Tag, weil er keine Milch bei sich behalten konnte. Sie lief ihm einfach aus dem Mund heraus. Florins Vater war dann zum Tischler gegangen, um einen Sarg zu bestellen. Aber der kleine Ioan hatte überlebt, weil Mama ihn unablässig umsorgt hatte, Tag und Nacht.
    Jetzt war sie selber krank.
    Florin stapfte schnurstracks auf das Burgtor zu. Die beiden Wachtürme rechts und links trugen Fackeln auf der Innenseite; das schwere, hölzerne Fallgitter war herunter gelassen. Seine eisenbeschlagenen Spitzen berührten den Boden am Ende der Steinbrücke, die den Burggraben überspannte. Florin fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Es würde kein Problem werden, ins Innere der Tausend Raben zu gelangen.
    ***
    Es war zu still. Matt und Jenny waren in der lichten Randzone des Waldes stehen geblieben, wo der Tann weniger wurde und Malanden die Oberhand gewannen im Kampf um den Lebensraum. (Malanden: eine Art Buchen, schwarz gescheckt und massig.)
    Hier blies der Wind um Einiges stärker, doch ansonsten hörte man nichts. Und das konnte nicht sein. Jenny strich ihre zerzausten Haare zurück.
    »Wo, zum Teufel, bleibt deine Freundin?«, fragte sie schneidend.
    »Hör zu, Jenny!«, sagte Matt. Er klang gereizt. »Ich bin selber nervös wegen Ann! Ich kann dich gut verstehen, aber lass diese ständigen Anschuldigungen sein! Aruula versucht nur zu helfen!«
    »Tut sie das?« Jenny stemmte die Fäuste in die Seiten. »Erst erkrankt der Hund. Dann verstaucht sich Aruula den Fuß – wann ist ihr das je passiert? –, und jetzt geht sie in den Wald und kommt nicht wieder. Ich sage dir, Matt: Da steckt eine Absicht hinter! Ich kann mir auch denken, welche: Aruula gönnt mir mein Kind nicht, weil sie ihr eigenes verloren hat!«
    »So ein Quatsch!«, wetterte Matt und wurde zornrot. »Das ist über zwei Jahre her!«
    »Zeit macht es nicht besser«, fauchte Jenny zurück. »Du müsstest allerdings eine Frau sein, um das zu verstehen.«
    »Ich bin aber keine Frau! Und mir reicht es jetzt!« Matt stapfte zurück Richtung Wald, legte dabei seine Hände um den Mund und rief den Namen der Barbarin.
    »Aruula!«
    Einen Moment herrschte Stille. Dann kam eine Antwort.
    »A-uula!«
    Matt prallte erschrocken zurück.
    »A-uula! A-uula!«, scholl es erneut. Commander Matthew Drax zog den Driller und rannte los, so schnell er nur konnte.
    Er hatte die Stimme erkannt.
    Es war seine eigene.
    Matt war völlig außer Atem, als er seine Gefährtin erreichte.
    Aruula stand reglos in einem lang gezogenen Graben.
    Großblättriges Efeu wucherte die hintere Seite herunter, Tannennadeln bedeckten den Boden. Die Barbarin hielt ihr Schwert halb erhoben vor sich. Warnend streckte sie die freie Hand aus.
    »Komm nicht näher, Maddrax!«, sagte sie ruhig, ohne Matt anzusehen. Dir Blick fixierte einen Punkt in der Mitte des etwa vier Meter hohen Efeuteppichs. Matt folgte ihm und runzelte die Stirn.
    Da hing ein Auge scheinbar in der Luft.
    Es befand sich ein ganzes Stück vor den gelbgrünen Blättern. Die geschlitzte Pupille ruckte kurz herum, als Jenny angelaufen kam. Sonst bewegte sich nichts, und man musste zwei Mal hinsehen, um das gewaltige Tier zu erkennen. Der Umriss des Körpers erinnerte an ein Waldchamäleon, die Schnauze war krokodilartig gestreckt.
    »Wow!«,sagte Matt anerkennend. »Das nenne ich gute Tarnung!«
    »Was für ein Tier ist das?«, fragte

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