1361 - Das Anklam-Projekt
hatten ihm keinen Widerstand geleistet. Allerdings hatte er sich auch darauf beschränkt, eine Öffnung von nicht mehr als zwei Metern Durchmesser zu schaffen. Er respektierte das Lebensrecht der fremden Pflanzen, das sie auf so dramatische Art und Weise zu verteidigen verstanden.
Jetzt schwebte er fünfzig Meter über dem Blätterdach des Waldes, und sein Blick erfaßte die Landschaft einer fremden Welt, wie sie wilder und unberührter nicht gedacht werden konnte.
In der Umgebung der Sonne war der Himmel blau und wolkenlos. Zum Horizont hinab wurde er zunehmend diesiger. Dünne, langgezogene Schichten grauen Rauches schwebten über der Kimmung.
Ein schroffer, vielfach zerklüfteter Bergzug begrenzte das Blickfeld nach links hin. Aus zwei spitzen, steil aufragenden Gipfeln stieg Qualm. Auch diese Welt noch jung, ihre Kruste der ständigen Wandlung durch tektonische Kräfte unterworfen. Die Aktivität der Vulkane erklärte den hohen Phosphor und Schwefelgehalt der Luft.
So weit das Auge reichte, selbst bis zu den schroffen Gipfeln der Berge hinauf, bedeckte dichter Dschungel das Land. Es gab keine Spur, die davon kündete, daß hier intelligentes Leben ansässig war.
Und dennoch mußten intelligente Geschöpfe hiergewesen sein. Die unterirdische Kammer mit dem Transmitter sprach eine deutliche Sprache. „Das wird dich interessieren", sagte der Pikosyn plötzlich. „Der scheinbare Durchmesser der Sonnenscheibe beträgt knapp acht Bogenminuten. Von Gangha aus gesehen, erscheint Anklam sechs Bogenminuten groß. Die Entfernung von hier nach Anklam beträgt also nur rund fünfundsiebzig Prozent des Abstands von Gangha. Damit steht so gut wie fest, daß wir uns auf einem Mond des zweiten Planeten befinden."
„Nuru", erinnerte sich Perry Rhodan. „So nennen sie den zweiten Planeten. Er hat elf Monde, scheint aber im Zusammenhang mit dem Anklam-Projekt ohne Bedeutung zu sein. Auf welchem Mond sind wir?"
„Tut mir leid, das kann ich nicht sagen. Mir fehlen die Anhaltspunkte."
„Verbindung mit LEDA?" fragte Rhodan. „Können wir die Kapsel von hier aus erreichen?"
„Wahrscheinlich nicht", antwortete der Pikosyn. „Für solche Entfernungen ist mein Kommunikationssystem nicht ausgelegt. Vielleicht unter günstigen Bedingungen ... Ich könnte es probieren ..."
Eine Minute verging. Perry Rhodan schwebte reglos in der vor Hitze zitternden Luft, hoch über dem Laubdach des Waldes, und hielt Ausschau. Nach über zweitausend Jahren und unzähligen besuchten Fremdwelten übte der Anblick einer Welt, auf die kein Mensch je seinen Fuß gesetzt hatte, noch immer eine unwiderstehliche Faszination auf ihn aus. „Es ist zwecklos", sagte der Pikosyn. „LEDA hört mich nicht. Außerdem muß ich dich darauf aufmerksam machen, daß dreißig von unseren sechzig Minuten um sind. Es wird Zeit, daß wir uns auf den Rückweg machen."
Rhodan vektorierte das Gravo-Pak abwärts. Langsam sank er in die Tiefe und passierte die Öffnung, die er zuvor mit dem Desintegrator geschaffen hatte, ohne die dichtbelaubten Zweige der Rotblattbäume zu berühren. Das Knarren, Quaken und Pfeifen der Dschungelwelt drang ihm entgegen. Der Wind hatte aufgehört zu wehen. Das Laubwerk rührte sich nicht mehr.
Da gewahrte er zu seiner Rechten eine Bewegung. Er hielt an, etwa zwanzig Meter über dem Waldboden schwebend. Auf dem oberschenkeldicken Ast eines Rotblattbaums bewegte sich ein Tier. Es hätte, in den Rahmen der terranischen Zoologie übertragen, eine Kreuzung zwischen Eidechse und Molch sein können. Seine schwarze, feuchte Haut schillerte in den spärlichen Resten des Sonnenlichts, denen es gelungen war, das dichte Blätterdach zu durchdringen. Das Tier war gut zwei Meter lang. Der Ast beugte sich unter seinem Gewicht. Das breite Maul stand halb off en. Eine zweifach gespaltene Zunge schoß in regelmäßigen Abständen daraus hervor und spielte aufwärts, seitwärts, dem kleinen Gehirn des Tieres die Witterung zutragend, die seine Gier erregte. Die großen gelben Augen quollen weit aus den Höhlen hervor. Die Schlitzpupillen zuckten nervös.
Perry Rhodan glaubte zu erkennen, welches das Ziel des Tieres war. Der Ast, auf dem es sich bewegte, machte ein paar Meter weiter einen Knick, und in diesem Knick waren mehrere der büschelförmigen, mit lanzettförmigen Blättern und Luftwurzeln ausgestatteten Parasiten angesiedelt, die Rhodan zuvor schon bemerkt hatte. Die Parasiten - er nannte sie Dolchbüschel, weil ihre scharfkantigen, spitzen
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