1363 - Hexen, Witwen und Assunga
und waren dem Betrachter zugewandt, als wollten sie ihn auffordern, mitzukommen.
»Was sagst du?«, flüsterte Margret.
Lilian sprach nur mit Mühe. »Wer… wer ist das?«
»Das ist Assunga, die Schattenhexe, deine neue Königin…«
***
Mein Ziel lag am Rande von Notting Hill nicht weit vom großen Autobahnkreisel der A40 entfernt, aber trotzdem in einer ruhigen Gegend.
In den letzten Jahren hatte diese Gegend einen irren Boom erlebt.
Viele wollten plötzlich in einer Gegend wohnen, die noch im 19.
Jahrhundert aus purem Weideland bestanden hatte.
Viel später entwickelte sich Notting Hill zum Zentrum der karibischen Gemeinde, da sich die Menschen aus Übersee dort niederließen und jedes Jahr im August einen gewaltigen Karneval feierten.
Bis August war es noch weit hin. Ich fuhr durch das Gebiet und hielt Ausschau nach einem Parkplatz.
Die Spekulanten hatten nicht alles renoviert, abgerissen und wieder neu aufgebaut. Es gab auch noch das alte Notting Hill, in dem man keine horrenden Mieten zahlen musste und für Häuser bis zum fünffachen des Normalwerts hinlegen musste.
Wo sollte ich parken?
Es sah schlecht aus. Eine Lücke war wirklich nicht zu finden, und so rollte ich bis zu einem kleinen Polizeirevier und stellte meinen Rover genau davor ab.
Ich hatte den Wagen noch nicht richtig verschlossen, als ein grinsender Bobby aus der Tür trat und auf mich zukam. Seine Augen leuchteten schon in großer Vorfreude. Wahrscheinlich sah er bereits die Tigerkralle an meinem Fahrzeug, als ihm das Grinsen etwas verging, denn ich hielt ihm meinen Ausweis entgegen.
»Kollegenhilfe. Ich habe hier zu tun und finde leider keinen Parkplatz, sorry.«
Das Grinsen war jetzt nicht mehr zu sehen. Der Kollege schaute sich meinen Ausweis an, blickte auf den Rover und konzentrierte sich danach auf mich.
»Ja, Sie können hier parken, Sir. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?«
»Ja, ich muss zu einer bestimmten Adresse.« Ich nannte ihm das Ziel, und er nickte sehr schnell.
»Ja, ich kenne den Laden. Sie brauchen nicht weit zu gehen. Allerdings geraten sie in eine Sackgasse.«
»Das macht nichts.«
Ich bekam den Weg erklärt und bedankte mich. Der Kollege wollte noch wissen, wie lange ich wohl wegbleiben würde, doch da konnte ich nur mit den Achseln zucken.
»Es kann sich hinziehen, muss aber nicht.«
»Verstehe.«
Ich bedankte mich noch mal und tigerte los. Im August zum Karneval war diese Gegend ein einziges Meer aus Farben. Davon sah ich zwar jetzt nicht viel, aber von einer Londoner Tristesse konnte man auch nicht sprechen. Die karibischen Einwanderer hatten auch diese Farbenfreude mitgebracht, die überall zu sehen war.
Angestrichene Häuser, mal rot, mal blau oder gelb. Man verdeckte die oft bröckelnden Fassaden durch den Anstrich. Zahlreiche Geschäfte lockten die Käufer, und in den kleinen Bars herrschte ebenfalls schon Trubel. Hier wurden vor allen Dingen einheimische Getränke ausgeschenkt. Manchmal stieg mir der Geruch von Rum in die Nase.
Margret Stones Geschäft lag in einer etwas ruhigeren Szene. Es konnte an der Sackgasse liegen, an deren Ende ich einen Bau sah, der fast aussah wie eine kleine Kirche, weil er sogar einen Turm besaß.
Mit rotvioletter Farbe hatte die Besitzerin ihr Motto auf die Schaufensterscheibe geschrieben.
Mit Kräutern gesund durchs Leben!
Aus ihrer Sicht mochte sie Recht haben. Ich warf einen Blick auf die Dekoration und konnte mir die Blumenkästen anschauen, die als Demonstrationsobjekte dort standen. In ihnen befanden sich künstliche Kräuter. Im Geschäft gab es dann die echten.
Es gab keine Pappschilder auf denen geschrieben stand, um welche Kräuter es sich handelte. Wer mehr wissen wollte, der musste den Laden schon betreten.
Genau das wollte ich, denn ich war auf die Besitzerin sehr gespannt.
Ein kurzes Stück ging ich zur Seite, blieb vor der Tür stehen – und war enttäuscht.
Das Schild mit der Aufschrift CLOSED konnte einfach nicht übersehen werden.
Damit hatte ich nun nicht gerechnet, und ich fragte mich, warum das Geschäft schon um diese Zeit geschlossen war. Hatte die Besitzerin es nicht mehr nötig, ihre Kräuter zu verkaufen?
Daran konnte ich eigentlich nicht glauben. Es war durchaus möglich, dass andere Gründe dahinter steckten, und in mir stieg Misstrauen auf. Ich versuchte, einen Blick in den Laden zu werfen, nachdem ich wieder zum Schaufenster gegangen war. Leider war nicht viel zu sehen. Es brannte kein Licht, und das
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