1363 - Hexen, Witwen und Assunga
die alten Treppenstufen, deren Farbe von einer Staubschicht bedeckt war.
Nach oben brauchte ich nicht. Ich konnte auf dieser Ebene bleiben und suchte den Weg zur Hintertür. Mein Gefühl sagte mir, dass die Frau etwas zu verbergen hatte, denn durch die Fenster an der Rückseite hatte ich nicht blicken können. Sie waren von innen verdunkelt worden.
Ich strich an einigen Eimern mit Farbe vorbei und entdeckte auch einen Mann, der auf der Treppe schlief. Er hatte sich die zweitunterste Stufe als Schlafplatz ausgesucht. Aus dem offenen Mund drangen Schnarchgeräusche und der Gestank von billigem Fusel.
Die Hintertür musste auch gleichzeitig die zur Wohnung der Margret Stone sein. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass sie nicht abgeschlossen war. Eine Wette wollte ich darauf nicht eingehen, die hätte ich zu leicht verlieren können.
Und ich verlor sie auch.
Die Tür war zu. Sie besaß auch keine Klinke, sondern einen Knauf.
Stabil sah sie nicht aus.
Ich suchte nach einer Klingel, und auch da hatte ich Pech. Das war heute wirklich nicht mein Tag.
Dafür allerdings klingelte etwas anderes. Es war mein Handy, und wieder mal verfluchte ich diesen Quälgeist. Aber ich meldete mich, und das war auch gut so…
***
Cordula Wayne hatte in einen der großen Wohnkasernen gelebt, die man als Bausünde des vergangenen Jahrhunderts bezeichnen konnte. Wer hier lebte, der war zufrieden, weil er eine Wohnung hatte, die er zumindest bezahlen konnte, denn in der Millionenstadt an der Themse waren die Preise regelrecht explodiert.
Um einigermaßen Ordnung zu halten, wurde in der Regel ein Hausmeister eingesetzt, und den genau suchte Suko. Er fand ihn nicht in einem der Häuser, sondern draußen, wo er einigen Müll vom Boden wegräumte und in einen Container warf.
Suko blieb neben ihm stehen. Der Mann hatte vom Bücken einen roten Kopf bekommen. Da konnte man bei ihm keine gute Laune voraussetzen.
»Darf ich Sie mal stören?«
»Nein, verdammt!«
»Es wäre aber wichtig.«
»Ist mir scheißegal.« Der Mann machte weiter und fegte den Rest zusammen. Dabei fluchte er über seine Mieter, und Suko musste das nächste Wort schon laut aussprechen.
»Scotland Yard!«
Drei Sekunden geschah nichts. Der Mann im Arbeitsanzug zuckte allerdings zusammen. Danach löste er seine Hände von der Schippe und dem Handfeger und richtete sich auf.
Dass Suko Chinese war, registrierte er mit einem Zucken der Augenbrauen. Mehr interessierte ihn der Ausweis, der ihm entgegengehalten wurde.
»Tatsächlich, Sie haben mir nichts unterjubeln wollen.«
»Warum hätte ich das tun sollen?«
Der Mann schaute sich um. »In dieser Gegend traue ich keinem. Ich heiße übrigens Tomsky. Wären meine Alten damals in Polen geblieben, wäre ich jetzt auch in der EU. Vielleicht hätte ich dann einen besseren Job.«
»Kann ja noch werden.«
»Ha, glauben Sie an den Weihnachtsmann?«
»Nur manchmal.«
Tomsky grinste breit. Er war ziemlich korpulent, hatte einen runden Kopf, keine Haare mehr und trug eine schwarze Strickmütze. In seinem Gesicht fielen die hellen dichten Augenbrauen auf.
»So, und was wollen Sie von mir, Inspektor?«
»Ich möchte, dass Sie mir die Wohnung einer gewissen Cordula Wayne aufschließen.«
»Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Nein, den brauche ich auch nicht. Wie Sie sicherlich wissen, ist Cordula Wayne verstorben.«
Tomsky senkte den Kopf. »Ja, das weiß ich. Sie hat fast bei uns nebenan gewohnt.«
»Noch besser.«
»Und was wollen Sie in der Bude?«
»Mich umschauen.«
Tomsky zog die Nase hoch. »Stimmt etwas mit ihrem Tod nicht? Sagen Sie nur nicht, dass man sie ermordet hat. Das hätte ich gewusst. Der Arzt hat nämlich einen natürlichen Tod festgestellt. Das habe ich selbst gehört.«
»Es stimmt auch. Sie ist bereits beerdigt worden. Und zwar heute. Waren sie dabei?«
»Nein, ich konnte nicht. Ich musste zu meiner Frau, die im Krankenhaus liegt. Man nahm ihr den Blinddarm heraus. Ist aber alles gut abgelaufen. Und das bei diesen miesen Kliniken. Wer Geld hat, lässt sich sowieso im Ausland operieren.«
»Können wir gehen?« Suko hatte es ein wenig eilig und keine Lust, sich Gejammer anzuhören.
»Kommen Sie mit.« Der Hausmeister hob seine Geräte auf und klemmte sie unter den rechten Arm.
Dass die Umgebung trostlos war, das stimmte. Aber es gab einige Bäume zwischen den grauen Bauten. So war zum Glück ein wenig Naturfarbe vorhanden.
Sie brauchten nicht weit zu gehen. Der nächste Hauseingang war es
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