1363 - Hexen, Witwen und Assunga
in dieser halb sitzenden und halb liegenden Lage im Sessel, auch wenn diese unbequem war.
Die Stone hielt die Waffe in der gesunden Hand. Sie kniete vor mir und nahm so einen Teil meines Blickfelds ein. Natürlich suchte ich nach Lilian Wayne, aber auch nach Assunga, die sich wieder zurückgezogen hatte, denn von ihr war nichts zu hören. Sie sprach mich auch nicht an. Momentan schien es nur die Stone und mich zu geben.
Was war mit Lilian geschehen? Hatte Assunga sie bereits entführt und als Ersatz für die verstorbene Cordula Wayne in ihre Welt geschafft? Sie war neuerdings scharf auf Witwen, denn wenn sie verschwanden, fiel es nicht so auf, falls sie noch keinen neuen Partner gefunden hatten.
Es gefiel der Stone nicht, dass ich nichts tat und nicht mal eine Frage stellte. Ich verspürte dazu auch keine Lust, denn ich fühlte mich noch zu schlapp. Einen Kampf gegen eine bewaffnete Margret Stone hätte ich kaum als Sieger beendet.
Sie hätte mich töten können. Sie hatte es nicht getan und nur eine Drohgebärde aufgebaut. Dass dies so passiert war, ließ nur einen einzigen Schluss zu.
Ich wurde noch gebraucht. Ich kannte Assunga, sie kannte mich.
Sie wusste auch über die Gesamtsituation Bescheid, und genau das ließ mich wieder hoffen.
Das Rauschen in meinem Kopf nahm ab. Die Sinne spielten wieder mit, und ich nahm den Kräutergeruch wahr, der vom Geschäft her auch in diesen Raum wehte.
Wo blieb Suko?
Wie viel Zeit genau vergangen war, konnte ich beim besten Willen nicht sagen, doch meiner Berechnung nach hätte er längst hier erscheinen müssen. Allmählich überkam mich der Gedanke, dass etwas passiert sein musste.
So ganz unwissend wollte ich nicht bleiben, und so fragte ich mit leiser Stimme: »Wie geht es weiter?«
Margret Stone kicherte. »Ich weiß es nicht. Das müssen wir alles Assunga überlassen.«
»Wo ist sie?«
»Immer in der Nähe.«
»Dann hast du also nichts zu sagen – oder?«
»Und ob ich etwas zu sagen habe. Ich gehöre zu ihr, verstehst du? Ich bereite ihr den Weg vor. Ich halte für sie die Augen offen und habe wieder für einen Ersatz gesorgt. Nur begreife ich nicht, weshalb sie mich davor zurückgehalten hat, dich zu töten. Ich hatte das Messer schon angesetzt, aber sie war dagegen.«
Zum Glück!, dachte ich und gab eine Antwort, die der Stone nicht gefallen konnte.
»Das ist wie in der großen Politik. Der einfache Parteisoldat bekommt auch nicht die Kleinigkeiten mit. Wenn es um das Große und Ganze geht, lässt man ihn außen vor. Mit so etwas solltest du dich abfinden, Margret.«
Die knirschte vor Wut mit den Zähnen. Sie zitterte auch, und das war nicht gut, denn die Spitze der Waffe drückte sich mir noch etwas tiefer in die Haut.
Für einen Moment befürchtete ich, dass sie alles vergessen konnte, um ihren eigenen Gefühlen nachzugehen. Es trat zum Glück nicht ein. Mein Hals wurde nicht durchbohrt.
Sie entspannte sich wieder. Auch ich atmete durch und dachte zugleich daran, dass ich mir etwas einfallen lassen musste, um aus dieser Lage zu entkommen. Das ungewohnte und auch falsche Liegen tat meinem Körper alles andere als gut. Ich wollte nicht, dass meine Muskeln noch mehr verkrampften.
Meinen Körper bewegte ich nicht, dafür aber meine Augen. Den Blickwinkel änderte ich so, dass ich an Margret Stone vorbeischauen konnte und ein Teil der Wand in meinen Sichtkreis geriet.
War sie noch da?
Die Frage war nicht mehr so interessant, denn ich stellte etwas anderes fest. Es gab dieses transzendentale Tor, und es gab den Blick dahinter. Genau das interessierte mich plötzlich, denn ich stellte fest, dass sich der Hintergrund verändert hatte.
Ich hatte ihn als neutral erlebt, als dunkel. Vielleicht auch als schattenhaft. Das traf so nicht mehr zu. Es hatte eine Veränderung gegeben, denn es war ein Stück Landschaft erschienen oder wie auch immer man es sehen wollte.
Bewegte sich dort jemand?
Auch das war nicht so genau zu sehen. Es konnte, musste aber nicht unbedingt sein. Meine Neugierde verstärkte sich ebenso wie die Sorge um Lilian Wayne.
»Willst du etwas sehen?«, flüsterte mir Margret ins Gesicht. Ihr Atem streifte mich. Der roch nicht, er stank, als wäre sie innerlich am Verfaulen.
»Es hat sich wohl etwas verändert.«
»Klar.« Sie grinste breit. »Für dich.«
»Nicht nur.«
Die beiden Worte hatten sie neugierig gemacht. Sie schüttelte kurz den Kopf und fragte: »Wieso?«
»Das ist ganz einfach. Assunga wird ihre eigenen Wege gehen. Sie
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