1363 - Hexen, Witwen und Assunga
sickerte und zwischen ihre Finger quoll, störte sie nicht. Auch nicht, dass der graue Stoff einen immer größer werdenden dunklen Fleck bekam. Sie dachte nur über meine Antwort nach.
»Du bluffst«, erklärte sie schließlich.
Ich lachte sie an. »Weshalb sollte ich das tun? Habe ich das nötig?«
»Ich weiß es nicht!«
»Du kannst Assunga fragen.«
Margret Stone wusste nicht, was sie tun sollte. Zum einen war sie Assunga sehr zugetan, zum anderen aber schien die Nähe zu ihr nicht so groß zu sein, dass sie die Schattenhexe direkt ansprechen konnte. Deshalb steckte sie in der Zwickmühle.
Und sie gab sich selbst wieder ein Argument, als sie sagte: »Wenn du tatsächlich ein Feind der Schattenhexe bist oder sie gut kennst, dann hättest du nicht überlebt.«
Ich hob lässig die Schultern. »Manche Menschen sind eben besser als sie. Das kommt immer wieder vor.«
Margret Stone wollte es nicht glauben. Aber sie spürte trotzdem eine Unsicherheit in sich. Ihr Knurren hörte sich an wie das Geräusch eines Tieres. Dabei ließ sie mich aus dem Blick und interessierte sich nur für das Bild auf der Wand.
Ich blieb zunächst ruhig, doch ich ließ sie nicht aus den Augen und sah deshalb die Veränderung in ihren Zügen.
Nein, das Erstaunen war nicht gespielt. Es war echt. Verdammt echt. So konnte man nicht spielen. Ich sah sogar das Zittern ihrer Lippen und hörte ein leises Lachen.
Jetzt drehte auch ich mich um.
Verdammt, es hatte sich etwas verändert.
Zwar war die Abbildung der Schattenhexe noch immer auf der Wand zu sehen, aber das Messer steckte nicht mehr in ihrem Körper.
Jetzt hielt sie es in der rechten Hand!
***
Schrill drang Margret Stones Lachen in meinen Ohren. Es klang nicht mal menschlich, sondern so, als stammte es von einem Instrument, das erst noch richtig gestimmt werden musste.
Mich riss dieses schrille Lachen aus meinen Betrachtungen hervor, die auch bei mir für eine Überraschung gesorgt hatten. Ob ich damit hatte rechnen müssen, war jetzt zweitrangig. Es stellte sich jetzt die Frage, was die Schattenhexe mit dem Dolch vorhatte.
»Sie ist die Göttin!«, rief die Stone mit einer dunklen, kratzigen Stimme. »Ich habe es gewusst. Man kann sie nicht töten. Assunga ist sogar stärker als der Sensenmann.« Plötzlich war auch die schmerzende Wunde vergessen. Sie riss die Arme hoch und ballte in großer Vorfreude die Hände zu Fäusten.
Da ich nicht damit rechnete, dass sie noch eine weitere Waffe bei sich trug, blickte ich zur Seite, denn jetzt war die Schattenhexe für mich wichtiger geworden.
Einen knappen Blick gönnte ich noch Lilian Wayne. Sie hatte sich nicht von ihrem Sessel fortbewegt.
Wieder blieb ich direkt vor diesem Gemälde stehen, wobei mich Zweifel überkamen, ob es überhaupt ein Gemälde war. Das konnte auch so etwas wie ein malerisches Hologramm oder der böse Gruß aus einer anderen Dimension sein.
Sie blieb allein. Hinter ihr bewegte sich nichts. Dabei hätte es mich nicht gewundert, wenn plötzlich der Vampir Will Mallmann erschienen wäre, da er nun zu ihr gehörte. Da tat sich nichts. Es sollte eine Sache zwischen mir und ihr bleiben.
Und sie sprach mich an.
Genau das war auch seltsam. Obwohl sie vor mir stand und mich ansprach, erreichte mich die Stimme nicht nur von vorn, sondern aus vier verschiedenen Richtungen. Die Stimme nahm als akustisches Signal den gesamten Raum in Anspruch, und die Lautstärke bestand aus einer Mischung zwischen Flüstern und Dröhnen.
Zudem war sie noch von einem leichten Schall begleitet, sodass ich Probleme bekam, sie sofort zu verstehen, aber ich spitzte verdammt genau die Ohren.
»Warum störst du meine Kreise, John Sinclair…?«, hallte es in meinen Ohren.
»Ich störe sie? Nein, Assunga, du hast damit angefangen. Du holst dir die Menschen und drehst sie so um, dass sie dir gefallen und alles vergessen, was bisher für sie wertvoll gewesen ist, auch ihr Gewissen.«
»Hör mit deiner Moral auf. Ich habe meine eigene. Ich weiß, dass es Kampf geben wird, und ich will gerüstet sein. Ich werde auch gerüstet sein, darauf kannst du dich verlassen. Und du weißt, dass ich einen Plan nicht aufgebe.«
Ich ahnte zwar, was sie damit meinte, doch ich fragte noch mal nach. »Welchen Plan?«
»Ich will Lilian!«
»Wozu?«
»Sie ist der Ersatz für ihre Schwiegermutter. Sie wird mir ebenso treu ergeben sein wie Cordula.«
»Gut gesprochen, Assunga. Aber sei versichert, dass ich es nicht zulassen werde.«
»Du musst es,
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