1364 - Killer-Engel
hatte dort alles unter Kontrolle. Allerdings gab es nicht viel zu kontrollieren, ein neuer Angriff war nicht in Sicht. Als wir den Wohnraum betraten, stand Suko am Fenster und beobachtete den Himmel.
Er drehte sich langsam herum, sodass auch Bruce ihn sah. Der Junge bekam große Augen, doch seine Reserviertheit verschwand schnell, als er von Suko freundlich angesprochen wurde, der ihn behandelte wie einen alten Kumpel.
Gemeinsam setzten wir uns an den Tisch. Unsere Gastgeberin verschwand in der Küche, um etwas zu trinken zu holen.
Ich beobachtete den Jungen aus den Augenwinkeln. War er wirklich der Schlüssel zum Schwarzen Tod? Das musste wohl so sein, schließlich hatte er ihn gezeichnet. Aber es war Belial erschienen und nicht der Superdämon aus der Vampirwelt.
Diese Art von Logik konnte ich nicht begreifen. Die Erklärung allerdings lag auf dem Tisch: Der Zeichenblock mit dem zugeklappten Deckblatt.
Bruce Everett hielt seinen Kopf zunächst gesenkt. Erst als Purdy Prentiss zwei Flaschen und auch Gläser mitbrachte, hob er den Kopf und strich seine Haare zurück. Er lächelte die Staatsanwältin an. Zu ihr hatte er das größte Vertrauen.
Wir mischten Mineralwasser mit Saft. Der Junge freute sich, dass Purdy sich zu ihm auf die Couch setzte und ihm aufmunternd zulächelte. »Du brauchst dich nicht zu fürchten, Bruce. Ich kann dir noch mal versichern, dass du dich hier unter Freunden befindest. Wir wollen wirklich nur dein Bestes.«
»Kann sein.«
»Dann trink erst mal.«
Bruce gehorchte. Als er das Glas wieder abstellte, schaute er zu, wie Purdy das Deckblatt zurückklappte und so dafür sorgte, dass die Zeichnung frei vor uns lag.
Suko und ich streckten die Köpfe und rutschten näher an den Tisch heran. Es wurde kein Wort gesagt, es gab keine Erklärung zunächst. Wir konnten erst mal schauen und uns unsere Gedanken machen.
Bruce hatte es wirklich geschafft, den Schwarzen Tod perfekt zu zeichnen. Als hätte der Dämon vor ihm gestanden. Das Skelett bestand aus grauen Strichen, und die gesamte Zeichnung sah sehr konkret aus, denn so wie der Schwarze Tod gemalt worden war, sah er auch in der Realität aus. Sogar die roten Augen hatte er bekommen. Es waren die einzigen Farbkleckse in der Zeichnung.
»Kannst du etwas dazu sagen, Bruce?«, erkundigte ich mich.
Er hob die Schultern und starrte die Zeichnung an, ohne sie allerdings richtig wahrzunehmen.
»Aber du hast diese Gestalt gemalt?«
»Sicher.«
»Warum?«
Bruce rieb seine Augen. Es war ihm anzusehen, dass er mit sich selbst kämpfte. Er umleckte auch seine Lippen und hob die Schultern an.
Ich half ihm mit der nächsten Frage. »Wolltest du ihn malen?«
»Nein.«
»Sondern?«
Der Junge überlegte und schluckte dabei. »Ich wollte meinen Vater malen«, gab er schließlich zu. »Aber dann habe ich dies da gezeichnet.« Er bedachte seine Arbeit mit einer abwehrenden Handbewegung.
»Hast du die Gestalt denn zuvor schon mal gesehen?«, wollte Suko wissen.
»Nein, nein, wieso denn. Nie. Auch nicht in einer Geisterbahn. Oder vielleicht doch dort. Aber sonst nicht. Ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte.«
»Du wolltest deinen Vater malen, wie du gerade selbst sagtest.«
Bruce schaute Suko an und nickte. »Ja, das wollte ich«, flüsterte er.
»Meinen Vater.«
»Und warum das?«
Der Junge schloss die Augen und schwieg. Nur seine Hände faltete er ineinander.
»Ihr solltet ihn nicht quälen«, sagte Purdy leise, die unserer Fragerei bisher stirnrunzelnd gefolgt war und sich nicht eingemischt hatte. »Er weiß es selbst nicht und kann es sich auch nicht erklären. Das ist leider so.«
Aus ihrer Sicht stimmte das schon. Nur wollten wir weiterkommen. Da musste uns Bruce einfach helfen, den es gab sonst niemanden, der uns hätte Auskunft geben können.
»Im Prinzip habe ich nichts dagegen, Purdy. Aber wie sollen wir weiterkommen, wenn nicht über ihn? Er ist der Mittelpunkt. Er hat es getan, und es muss einen Grund gegeben haben. Er wollte seinen Vater malen und tat es nicht.«
»Dafür sah er die Gestalt – oder?«
Ich nickte. »Ja, Belial.«
»Und er ist der Engel der Lügen«, erklärte Suko. »Er lebt von der Lüge. Er sorgt dafür, dass die Lüge für andere Menschen aussieht wie die Wahrheit. Deshalb weiß Bruce nicht, was er da getan hat. Er stand unter dem Bann des Lügenengels. Er hat wirklich gedacht, seinen Vater zu malen und wird sich bestimmt erschreckt haben, als er erfuhr, was da wirklich rausgekommen ist. Jetzt
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