1364 - Killer-Engel
spielt dann Bruce Everett? Was hat er damit zu tun?«
»Bruce war das Mittel zum Zweck. Er sollte dafür sorgen, dass du verunsichert wirst. Das ist ihre Art des Angriffs. Sie haben nur Pech gehabt, dass Suko und ich ihnen dazwischengefunkt haben, sonst hätten dich Belials Killerengel sicherlich erwischt und dich in das neue Atlantis entführt.«
Wenn wirklich alles zutraf, dann waren es harte Wahrheiten, die Purdy zu hören bekommen hatte. Es war nicht leicht für sie, diese zu akzeptieren. Dass sie schon mal in Atlantis gelebt hatte, damit hatte sie sich abfinden können. Es hatte sie in der letzten Zeit auch nicht weiter berührt. Nun aber sah sie eine Zukunft vor sich, über die sie nicht erfreut sein konnte.
Sie gehörte zu den Frauen, die sich einen harten Beruf ausgesucht hatten, der sie immer wieder forderte. Doch es gab auch für sie Grenzen, und eine solche Grenze schien jetzt erreicht zu sein, denn sie machte auf uns einen nachdenklichen Eindruck, in den sich auch eine gewisse Furcht mischte.
Sie hob die Schultern und flüsterte: »Eigentlich muss man etwas gegen solche Vorgänge unternehmen, aber ich weiß mir wirklich keinen Rat mehr.«
»Das trifft schon zu.«
»Ihr seit auch ratlos?«
»Das nicht«, meint Suko. »Wir würden nur gern einen Weg finden, der unsere Theorie bestätigt.«
»Über Belial«, flüsterte sie.
Suko winkte ab. »Der lügt. Er ist derjenige, der die Lüge als Wahrheit verkauft. Das hast du hier bei Bruce gesehen. Wer seinen Vater zeichnen soll und dabei den Schwarzen Tod malt, der muss manipuliert worden sein, denke ich.«
Purdy sah den Jungen an. Der rührte sich nicht. Er saß wie eine Statue auf der Couch und hielt den Blick zum Fenster gerichtet. Ein Ausdruck lag nicht in seinen Augen, nur diese ungewöhnliche Leere.
»Er gefällt mir nicht«, sagte Purdy leise. »Bruce ist abwesend. Es könnte sein, dass er wieder Kontakt hat.«
Das war durchaus möglich. So wie er benahm man sich einfach nicht. Er wirkte wieder so geistesabwesend und autistisch. Dabei schaute er weiterhin gegen die Fensterscheibe, als spielten sich dort Szenen ab, die ihn interessierten.
Die Staatsanwältin tippte ihn an. »Bruce, bitte, möchtest du mit mir reden?«
»Reden… reden …«
»Ja.«
»Ja… ja …«
Purdy Prentiss war verwundert. Suko und ich reagierten nicht anders. Auch wir wunderten uns über das Stottern des Jungen.
»Ist es Belial?«, fragte Suko.
»Belial… Belial …«
Mehr sagte er nicht. Er schüttelte den Kopf und ließ dann seinen rechten Arm vorschnellen. Das Ziel seiner Hand war der Zeichenblock, den er förmlich an sich riss.
Er wollte sich dabei keineswegs sein eigenes Werk anschauen, sondern blätterte das bereits bemalte Blatt um und zog einen Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche an der Brust.
Wir alle sahen, dass seine Hände zitterten. So würde er nie etwas malen können, doch es gab ein kleines Wunder.
Sobald die Kugel das Papier berührte, wurde seine Hand wieder ruhig. Wir erlebten das Phänomen des Zeichnens, denn er musste die Bilder loswerden, die in seinem Kopf herumspukten…
***
Suko und ich veränderten unsere Sitzhaltung, damit wir ihn genau beobachten konnten. Niemand von uns sprach. Die Stille im Raum war von einer unheimlichen Spannung unterlegt, sodass wir sogar das leise Schaben der Mine auf dem Papier hörten. Oder war es ein Fingernagel des Jungen, der sich ebenfalls dicht an der Minenspitze befand?
Viel sahen wir nicht. Noch nicht. Die Zeichnung bestand zunächst aus zahlreichen Strichen von unterschiedlicher Dicke und Länge. Da wäre niemand auf den Gedanken gekommen, dass aus diesem Wirrwarr ein Bild entstehen könnte, aber wir irrten uns.
Er bekam das zusammen, was sich in seinem Kopf befand, und wir mussten erleben, dass es diesmal nicht der Schwarze Tod war, sondern ein anderer Dämon.
Ebenfalls grau und düster. Eine Gestalt, die sowohl er als auch Purdy Prentiss gesehen hatten.
Als wir das böse Gesicht in den Umrissen sahen, da war uns klar geworden, dass es Belial war. Sein Bild befand sich in Bruces Kopf, dessen Starre längst aufgehoben war. Der Junge verfiel in Hektik, und wir hörten ihn heftig ein- und ausatmen. Er stand unter emotionalem Druck, aber er zeichnete weiter, weil er nicht anders konnte.
Es wäre wohl keinem von uns gelungen, ihn zum Aufhören zu bewegen, und so huschte die Kugel des Schreibers weiterhin über das Papier, um uns noch mehr Einzelheiten zu zeigen.
Ich hatte nicht auf die Uhr
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