1368 - Glendas Feuertaufe
gut überlegt?«
»Ich hatte ja Zeit.«
»Okay.«
Mir war wirklich nicht wohl bei diesem Versuch, doch es gab keine andere Lösung. Und so holte ich mein Kreuz hervor, von drei Augenpaaren gespannt beobachtet.
Der silberne Talisman war kaum sichtbar, als mir Glenda bereits ihre Hand entgegenstreckte.
Ihr großes Vertrauen ehrte mich, und ich hoffte, dass ich keinen Fehler beging.
Für einen winzigen Augenblick schwebte das Kreuz über ihrem Handteller. Ich strich noch kurz mit der Linken über das Metall hinweg und war froh, dass es sich nicht erwärmt hatte.
Dann ließ ich es fallen!
Es landete auf Glendas Handfläche, auch die Kette fiel zusammen und es geschah – nichts!
***
Es war die absolute Starre, die uns überfallen hatte. Keine Regung, nicht mal ein Atmen, auch kein Zeichen einer großen Erleichterung, obwohl jeder von uns hätte jubeln können. Nur passierte das nicht.
Als Einzige reagierte Shao, und auch sie tat das sehr verhalten, denn sie lächelte. Auch Glenda reagierte nicht ungewöhnlich. Sie blickte auf das Kreuz und frage: »Warum hast du es mir gegeben?«
»Es war ein Test.«
»Verstehe.« Sie strich über ihr Haar. »Ihr alle habt an etwas Bestimmtes gedacht.«
»Es ging um deine Sicherheit, Glenda. Jetzt wissen wir, dass dieses Serum keinen dämonischen Ursprung besitzt. Obwohl wir eine hundertprozentige Sicherheit auch nicht haben können. Aber ich denke, dass wir schon davon ausgehen können.«
Wir waren ja bescheiden geworden und werteten dies als einen Erfolg. Ich nahm das Kreuz wieder an mich und ließ es unter meinem Hemd an seinem angestammten Platz verschwinden.
Glenda lehnte sich zurück. Sie atmete ein paar Mal tief ein und wieder aus. Dabei blickte sie keinen von uns an. Sie wusste trotzdem, dass es auf sie ankam, denn sie war so etwas wie der Joker in diesem Spiel. Wir konnten nichts tun. Wir mussten uns auf sie und ihre Aussagen verlassen.
Nach wie vor drehten sich meine Gedanken um die Aussage, die am wichtigsten war.
Mit den Toten sprechen!
War es tatsächlich möglich, dass jemand ein Serum erfunden hatte, das dies ermöglichte?
Im Normalfall hätte ich das verneint, aber ich war mir nicht mehr sicher. Zu viel Unmögliches war mir bereits untergekommen, an das ich früher nicht mal im Traum gedacht hatte. Auch jetzt grübelte ich und war der Ansicht, dass in der gesamten Welt nichts verloren ging. Es gab das Gesetz von der Erhaltung der Energie, die Dinge gerieten nur eben in andere Zustandsformen.
Es blieb etwas zurück!
Aber was?
Dieses Rätsel zu lösen, war unmöglich. Bis jetzt jedenfalls. Sollte Glenda tatsächlich ein Mensch sein, der dieses Rätsel gelöst hatte?
Dem die Geister der Toten erklärten, wie es bei ihnen aussah, was sie dachten, was sie taten?
Ich hatte keine Ahnung. Die Antworten konnte uns nur Glenda geben. Wir mussten sie behutsam daran heranführen. Allerdings gab es da noch zwei Männer, die ebenfalls wichtig waren.
Saladin und Dr. Phil Newton. Mit ihnen war Glenda zusammen gewesen. Es konnte durchaus sein, dass sie in ihre Pläne eingeweiht war. Zumindest zum Teil, und da konnte sie uns vielleicht helfen.
Als hätte sie meine Gedanken erraten, übernahm sie das Wort.
»Ich kann ja auch nichts dafür«, sagte sie leise. »Man hat mich eben überrascht. Ich wollte es nicht, doch gegen zwei kam ich nicht an. Dann wusste ich mir keinen anderen Rat, als hierher zu kommen.«
»Das war richtig«, sagte ich. »Es ist wirklich alles in Ordnung. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen.«
»Die mache ich mir aber!«, rief sie. »Du glaubst gar nicht, wie es in mir aussieht. Ich fühle mich manipuliert. Ich bin irgendwo missbraucht worden. Ich habe mich reinlegen lassen. Mir fehlt eine Stunde in meinem Leben. Bitte, das ist nicht komisch, und ich will wirklich wissen, was in dieser Zeitspanne mit mir geschehen ist.«
»Das werden wir nie herausfinden«, sagte Suko.
»Aber was geschah in meinem Körper? Wie stark hat man mich manipuliert? Ich will es einfach erfahren. Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich einen Menschen, ich sehe mich, aber ich muss davon ausgehen, dass es nicht mehr die gleiche Glenda Perkins ist, die es noch gestern und vorgestern gegeben hat. Das ist mein Problem, mit dem ich fertig werden muss.« Sie schüttelte den Kopf, bevor sie uns anschaute. »Bitte, ich möchte, dass man mir hilft.«
Das konnte jeder verstehen. Und wohl jeder von uns hätte sie gern in den Arm genommen und ihr etwas Tröstendes gesagt.
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