1368 - Glendas Feuertaufe
sie auch nicht ablesen, was mit Glenda Perkins wirklich passiert war.
Saladin nahm das Thema wieder auf. »Es muss einen Grund geben, Doc.«
»Klar. Gründe gibt es immer.«
»Und welch einer ist das?«
Es passte Newton nicht, dass er schon wieder nach einer Antwort suchen sollte. Er hatte es zuvor ein paar Mal getan und auch keine richtige gefunden.
»Du sagst nichts.«
»Ich denke nach.«
Saladin musste lachen. »Da bin ich aber gespannt, ob du etwas herausbekommst. Wir haben hoch gepokert, und ich will meinen Einsatz nicht verlieren.«
»Wirst du auch nicht.«
»Was macht dich so sicher?«
»Das Serum fließt in ihr.«
»O ja, bin selbst dabei gewesen. Es war ja so still, wir beide haben uns gefreut, aber sie hat nicht mit den Toten gesprochen. Es ist etwas passiert. Wir selbst sind in der Wohnung gewesen, als sie aus ihrem Zustand erwachte, aber wir haben sie nicht mit den Toten sprechen hören. Das hätte passieren müssen. Stattdessen ist etwas anderes mit ihr geschehen, über das wir nichts wissen. Wenn das so weitergeht, müssen wir uns einen neuen Probanden sichern.«
Davon wollte Newton nichts hören. Er drückte den Zigarrenstummel im Ascher aus und schüttelte den Kopf. »Wir werden bei ihr bleiben. Es kann ja noch dauern, bis alles richtig anschlägt. Ich bin keiner, der auf Schnellschüsse setzt. Meine Forschungen haben Zeit gekostet. Und Zeit will ich mir geben.«
»Aber ich nicht.«
»Das ist dein Problem. Außerdem ist jeder Mensch anders.«
»Das ist mir bekannt, Doc. Aber wie meinst du das genau?«
»Ich weiß es nicht. Jeder Mensch hat seine Eigenarten, und wenn ich sage, dass es ihr gelingt, mit Toten zu sprechen, dann muss das nicht sofort der Fall sein. Da kann es auch andere Reaktionen geben, die möglicherweise damit nichts zu tun haben.«
Saladin staunte nur. »Ach«, sagte er, »und das soll ich dir glauben? Auf einmal höre ich, dass dein Serum noch nicht richtig ausgereift ist?«
»Es ist ausgereift.«
»Das sehe ich anders. Aber du kannst ja versuchen, mich vom Gegenteil zu überzeugen.«
Phil Newton nickte vor sich hin. »Es war mein großer Wunsch, Menschen mit Toten sprechen zu lassen. Dass sie Kontakt mit dem Jenseits aufnehmen, aber auf dem Weg dorthin, müssen die Probanden eben verschiedene Stationen durchlaufen, das habe ich jetzt in der Praxis festgestellt, obwohl ich theoretisch schon daran gedacht habe. Ich bin schließlich kein Laie.«
»Stationen, sagst du?«
»Oder auch Umwege.«
Saladin hielt zunächst den Mund. Er schaute seinen Nebenmann scharf von der Seite her an. »Ich denke, dass wir uns über die Umwege mal ein wenig unterhalten sollten.«
»Ich verstehe dich, Saladin.« Der Wissenschaftler lächelte. »Nur sind die Wege des Schicksals unergründlich, und ebenfalls die der Wissenschaft. Ich will es mal allgemein verständlich formulieren. Man könnte von Nebenwirkungen sprechen. Dieser Begriff ist ja in der Medizin sehr in Mode gekommen. Nebenwirkungen sind wichtig. Nebenwirkungen müssen erforscht werden, aber dazu braucht es Zeit.«
»Aha, verstehe. Und genau diese Zeit hast du nicht gehabt. Oder sehe ich das falsch?«
»So ähnlich. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen müssen, aber ich wollte endlich einen Erfolg sehen. Ich habe in meinem Leben von den großen Kollegen, die alles wissen, zu viele Arschtritte bekommen, und ich wollte endlich einen Erfolg erreichen. Dabei war ich sicher, dass ich es schaffen würde. Leider bin ich wohl zu voreilig gewesen, sodass mit Glenda Perkins etwas anderes passiert ist.«
»Wichtig ist, dass etwas passiert ist.«
»Schon.«
»Aber du kannst nichts Konkretes sagen?«
Phil Newton schüttelte den Kopf. »Es muss etwas mit ihrem Innern zu tun haben, mit der Psyche. Es hat eine Veränderung gegeben, das wissen wir. Und es wird auch bei ihr noch weitergehen, davon gehe ich ebenfalls aus.«
»Okay, verstanden, vorläufig akzeptiert. Aber wann wird es die wieder geben? Wann können wir mit ihr rechnen?«
»Das weiß ich nicht. Den Zeitpunkt kann man leider nicht vorherbestimmen. Es liegt einzig und allein an ihr. Es muss sie schon überkommen. Sie muss von der Wirkung gepackt werden, und vielleicht kommt sie irgendwann mal dahin, dass sie ihre neuen Kräfte kontrollieren kann, um sie einzusetzen, wann immer sie will.«
»Ja. Gegen uns.«
»Warum sollte sie das?«
Saladin lachte kichernd. »Eine wie sie wird uns hassen. Ja, das kannst du mir glauben. Sie wird uns hassen. Und sie wird versuchen, ihre neue
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