Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
abwälzen… Es ist an der Zeit, dass ich einige Dinge kläre, ein paar Entschuldigungen ausspreche und wieder die Rolle einnehme, die mir das Schicksal zugedacht hat. So sehr es auch schmerzt.« Er sah auf das Fellbündel in seiner Hand hinab. »Was meinst du, Chira? Begleitest du mich, wenn ich einen Fehler gutmache?«
    Es war nicht schwer, die Spur der Schausteller wieder aufzunehmen. Auch wenn sie mehrere Tage Vorsprung hatten – mit den Planwagen kamen sie nicht besonders rasch voran.
    Zudem wusste er, wohin sie unterwegs waren.
    Rulfan war mit einem Mal nervös und kribbelig. Was war nur in ihn gefahren, diese naiven, unbedarften Menschen der Gefahr zu überlassen, einen getarnten Daa’muren unter sich zu haben? Neben dem Hochmut, den er Will Shag und den anderen gegenüber gezeigt hatte, war er auch noch unverantwortlich leichtsinnig gewesen.
    Es war ihm, als hätte sich plötzlich ein Vorhang gehoben, der seine Sinne die ganze Zeit über abgedämpft hatte, und nun sah er klar. Wenn tatsächlich ein Außerirdischer unter den Schaustellern war, dann in Gestalt von Robin Goodfellow!
    Denn nicht nur, dass er Will Shag den Floh ins Ohr gesetzt hatte, nach Salisbury zu ziehen. Wenn er einem Auftrag folgte, lag dort ein lohnendes Ziel!
    Unverdrossen, ohne Sinn für Tag- und Nachtwechsel, stapfte er immer weiter Richtung Norden. Den kleinen We’pen, Chira, fütterte er im Gehen. Er selbst aß im Laufschritt und schlief kaum.
    Der Gedanke, zu spät zu kommen, machte ihn schier wahnsinnig.
    ***
    Ein kleiner Lichtblick in diesen trüben Zeiten ist eine Art Wanderzirkus, der vor den Toren Salisburys Station macht. Die Männer – es gibt tatsächlich keine Frauen unter ihnen –
    nennen sich selbst Schausteller. Sie reden und benehmen sich so, als wären sie in einer der alten Filmkonserven aus den Londoner Bunkerarchiven gefangen.
    Aber ich sollte mich nicht lustig machen über Will Shag und seine Truppe. Sie haben einen besonderen Weg gefunden, mit ihrem mühseligen Leben fertig zu werden.
    Die barbarischen Zuseher halten sie großteils für Deppen, denen man Narrenfreiheit zugesteht – aber ich frage mich, wer hier die Narren und wer die Vernünftigen sind…
    Einerlei. Morgen gibt es eine Vorstellung, extra für die Community-Bevölkerung. Ich tue mein Bestes, möglichst viele aus ihren beengenden Räumen hinaus zu treiben, sie zu animieren, sich dieses besondere Schauspiel anzusehen.
    Der Winter ist fast vorbei und die wärmenden Temperaturen des Frühlings können nur Gutes bringen.
    (Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Eve Neuf-Deville)
    ***
    Da waren die Schausteller! In einer kleinen Senke vor den Hütten Salisburys, die wiederum von einem Palisadenzaun umgeben waren. Wie immer hatten sie ihr Lager am strategisch ungünstigsten Ort aufgeschlagen.
    Vorerst blieb Rulfan in der Deckung des stacheligen Gestrüpps auf der kleinen Anhöhe. Dieses Gelände war lange Zeit Heimat für ihn gewesen, hier kannte er sich bestens aus.
    Chira hockte neben ihm und schärfte ihre Zähne an einem Wisaau-Knochen.
    »Wo ist unser Freund Goodfellow denn?«, fragte er leise – und entdeckte ihn kurz darauf. Er arbeitete so wie immer beim Lageraufbau mit.
    Aber wie sehr hatte sich der Mann gewandelt! Mit traumwandlerischer Sicherheit balancierte er über die Bohlen.
    Da war keine Spur von Hölzernheit mehr zu sehen.
    »Natürlich – es war die Kälte, die ihn behindert hat!«, raunte der Albino. Schon bei der Enttarnung der Wulf-Daa’murin vor den Toren der Community Salisbury hatten sie auf diesen Trumpf gesetzt. Ein weiterer Punkt, der seinen Verdacht bestätigte.
    Oder doch nicht? Schließlich waren auch viele Menschen bei Kälte beeinträchtigt. Und der Vorschlag, nach Salisbury zu reisen… Vielleicht kam er ja tatsächlich von hier und hatte einfach Sehnsucht nach der Heimat gehabt…?
    Sollte Rulfan denn überhaupt auf die Worte Mutter Wendells so viel Wert legen? Was, wenn er sie fehlinterpretiert hatte? Wenn der Junge ein ganz normaler Mensch war?
    Nein!
    Rulfan spürte irgendwie, dass dieses Wesen dort der Feind war. Es schien ihm, als zögen ihn die körperfremden Bestandteile in seinem Kopf hinab in die Senke, hin zu Goodfellow, seinem Herrn…
    Unsinn!
    Er krallte die Finger in den aufgeweichten Boden. Nie mehr!
    Nie mehr würde einer dieser Bastarde ihn kontrollieren!
    Moment mal! In der Senke tat sich etwas. Ein bekanntes Gesicht näherte sich dem kleinen Dorf der Schausteller, unschwer erkennbar an dem

Weitere Kostenlose Bücher