137 - Fluch der Seelenwanderer
Wohnung. Aber dort haben wir nichts gefunden,
obwohl wir jeden Winkel unter die Lupe nahmen. Dann ist ihm auch nicht
entgangen, daß ich es war, der die Bronzefigur an mich nahm. Und die,
Bronzefigur soll - den Worten des Festgenommenen nach - die Waffe tragen, mit
der bisher vier Menschen getötet wurden .«
»Und es werden noch mehr getötet werden, wenn
wir diese Figur nicht dahin zurückbringen, wohin sie gehört. Zum Grab Lanoras.
Ich hab dir davon erzählt. Nach all dem, was wir beide getrennt heute abend
erlebt haben, gibt es für mich nicht den geringsten Zweifel, daß ein
Unschuldiger im Gefängnis sitzt. Aber um seine Unschuld zu beweisen, müssen wir
erst den anderen Gerd Mahler haben, jenen Gerd Mahler, der mit dem Gesicht eines
Menschen, mit dem Namen eines Menschen herumläuft und furchtbare Verbrechen
begeht. Ein Mörder, der kein Mörder ist, sitzt in dieser Minute im Gefängnis -
in der gleichen Minute aber ist der wahre Mörder unterwegs, um wieder zuzuschlagen.
Ich fürchte, ich ahne, wie die Dinge im großen und ganzen Zusammenhängen. Wang
strebt nach Vollendung, seine Zeit ist gekommen, und er will die Seelen derer,
die ruhelos in einem Schattenreich zwischen Diesseits und Jenseits herumirren,
endgültig für alle Zeiten fest besitzen. Das Auftauchen der unsichtbaren
Geister im Taxi während der Fahrt zum Hospital hat mir die Augen geöffnet. Edna
Calum ist nur eine von dreien noch, von der man sagen kann, daß ihr Geist noch
nicht mit dem Wangs gleichgeschaltet ist.
Man nennt ihn - den Totengott. Warum er
diesen Beinamen erhielt, läßt sich wohl nur daraus ableiten, daß er im Reich
der Toten eine besondere Rolle gespielt hat. Wang will in diese Welt Eingang
finden. Es ist ihm gelungen, den Spalt zu verbreitern, den irgendwann mal
Lanora, die geheimnisvolle Künstlerin, geschaffen hat. Was ich durch Fo Chung
und Edna Calum weiß, ist nicht viel, aber es ist genug, folgende Aussage zu
wagen: Wang braucht insgesamt sieben Opfer, um die sieben Seelen zu besitzen,
die ihn einst besaßen. Vier Opfer hat er sich schon geholt, das bedeutet, daß
im Schattenreich vier Seelen auf seiner Seite stehen. Er braucht noch drei
Opfer. Jetzt da die Dinge ins Rollen gekommen sind und er fürchten muß, daß wir
ihm auf die Schliche kommen, wird er sich wohl keine lange Zeit mehr lassen, um
auch die letzten drei Opfer noch ins Jenseits zu befördern, damit sich die
Seelen der Toten mit den Seelen der durchs Schattenreich Irrenden vereinen
können. Warum das so sein muß, das vermag auch ich nicht zu durchsuchen. Aber
für Wang ist es offensichtlich eine Existenznotwendigkeit.
Und noch etwas ist mir klar geworden,
Brüderchen...«
»Mir auch, Towarischtsch«, entgegnete der
Russe mit markiger Stimme. »Alle Opfer müssen offenbar an einen einzigen Ort
gebracht werden. Da bot sich der »Black Cat Club « geradezu an. Und alle Opfer können nur - mit
einer einzigen Waffe zur Strecke gebracht werden. Der geflammte Dolch - die
magische Waffe eines dämonischen Götzen aus einer finsteren Welt. Diese Waffe
befindet sich in dieser Minute auf meinem Zimmer im »Intercontinental« . ..«
Iwan Kunaritschew schlug sich mit der flachen
Hand gegen die Stirn. »Merkst du, wie hohl das klingt, Towarischtsch? Jetzt, wo
der Groschen gefallen ist? Wenn Gerd Mahler Nummer zwei mich beobachtet hat -
und alles spricht nun dafür, daß es gar nicht anders sein kann! - dann weiß er
genau, wo er sein schlimmes Messer abholen kann. Hoffentlich kommen wir nicht
wieder zu spät...«
*
Der Mann kam wie ein Geist in der Nacht um
die Ecke des langen, stillen Korridors.
Der breite Flur in der vierten Etage des »Intercontinental« lag leer vor dem nächtlichen Besucher. In den
Fensternischen standen riesige Blumentöpfe und Kübel, in denen bis zur Decke
reichende, exotische Pflanzen wuchsen.
Zielstrebig ging der Mann durch den Korridor.
Er achtete peinlich genau darauf, kein unnötiges Geräusch zu verursachen; seine
Augen befanden sich in stetiger Bewegung, damit ihm ja nichts entgehe.
Zimmer 409 war der Raum, den ein gewisser
Iwan Kunaritschew nach seiner Ankunft in Frankfurt bezogen hatte.
Der großgewachsene, schlanke Mann mit dem
dunkelblonden Haar verharrte vor der Tür. Es war - der falsche Gerd Mahler.
Er machte zwei Schritte nach vom auf die Tür
zu. Der Unheimliche, der sich selbst als Wang bezeichnet hatte und der nur
Gestalt hatte annehmen können, weil es ihm gelungen war, einen winzigen, ganz
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