1370 - Amoklauf der Wissenden
zögerte, aber dann richtete sie sich auf und verließ ihre Deckung. „Ich bin Dao-Lin", sagte sie langsam. „Was willst du von mir?"
„Du wirst mich begleiten, Dao-Lin", sagte der Roboter, und es war keine Bitte und auch kein Befehl, sondern eine nüchterne Feststellung. „Wohin?" fragte die Kartanin. „Zurück ins Scotaming!"
„Wer hat dich geschickt? Waren es die Voica?"
Der Roboter ließ seine metallenen Fühler spielen, und Dao-Lin-H'ay hatte plötzlich das Gefühl, daß diese kleine Maschine gar nicht dazu imstande war, selbständig zu handeln. Sie trat einen Schritt näher. „Ihr wollt, daß ich zurückkomme", sagte sie an die Adresse der Wissenden, die wahrscheinlich die Aktivitäten ihres kleinen Boten aus der Ferne beobachteten und steuerte. „Gut, ich bin bereit, es zu tun.
Aber vorher müßt ihr mir zusichern, daß wir mit der NARGA SANT nach Kartan fliegen. Unser Volk muß die Wahrheit erfahren, damit es sich auf die bevorstehenden Veränderungen vorbereiten kann."
„Nein", sagten die Wissenden auf dem Umweg über den Roboter. „Du hast keine Forderungen zu stellen, Dao-Lin. Du hast dich den Beschlüssen unserer Gemeinschaft zu beugen, und wir erwarten, daß du dies tust, ohne Bedingungen zu stellen. Der Roboter wird dich führen. Folge ihm."
„Ich denke nicht daran!" rief Dao-Lin.
Der kleine Roboter hatte sich bereits umgedreht, aber er stand noch am selben Fleck. Er wirkte ganz harmlos, und doch hatte die Kartanin plötzlich das Gefühl einer drohenden Gefahr.
Sie gehorchte ihren Instinkten. Sie duckte sich und huschte zur Seite, und noch während sie sich in Sicherheit brachte, hörte sie ein Zischen.
Die Voica waren offenbar entschlossen, Dao-Lin-H'ay notfalls auch gegen deren Willen zu sich zurückzuholen. Immerhin deutete das Zischen darauf hin, daß sie ihr - noch - nicht ans Leben wollten.
Sie spähte vorsichtig auf den Gang aus.
Der Roboter hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Der Gang war unversehrt. Aus der Rückseite der kleinen Maschine ragte der Abstrahltrichter einer Waffe. „Du hast uns zu gehorchen!" riefen die Wissenden empört.
Der primitive kleine Lautsprecher des Roboters verzerrte ihre Stimmen, aber Dao-Lin glaubte, einen Unterton von Hysterie und Wahnsinn herauszuhören. „Wenn du uns nicht gehorchst, müssen wir dich töten!"
Das war deutlich genug. Dao-Lin zog sich lautlos zurück. An einer sicheren Stelle blieb sie stehen und wartete.
Es dauerte nicht lange, da kam der Roboter um die Ecke gebogen. Seine metallenen Fühler bewegten sich rastlos. Dao-Lin begriff, daß diese kleine Maschine imstande war, ihre Spur zu erkennen, was immer sie auch dagegen unternehmen mochte. Es konnte nicht besonders schwierig sein in dieser Umgebung, in der es seit Tausenden von Jahren kein Leben mehr gab, die Spur eines Lebewesens aufzunehmen.
Es widerstrebte Dao-Lin, den kleinen Roboter einfach zu vernichten, denn auch diese Maschine war ein Bestandteil der NARGA SANT, und die NARGA SANT war der Kartanin beinahe heilig. Was immer die Zukunft auch bringen mochte - dieses riesige Schiff barg so viele technische Wunder, daß es den Kartanin unbedingt erhalten bleiben mußte. Kein noch so kleiner Teil davon durfte nach. Dao-Lins Meinung ohne zwingenden Grund vernichtet oder auch nur beschädigt werden.
Also versuchte sie zunächst, den Roboter in die Irre zu führen.
Aber was sie auch tat - die Maschine folgte ihr. Dieser Roboter schreckte vor keinem Hindernis zurück, und wenn es nötig war, erhob er sich in die Luft und schwebte über alles hinweg, seine metallenen Fühler dicht über dem Boden, tastend und schnüffelnd wie ein seltsames Tier.
Der Kartanin sträubten sich die Haare angesichts dieser Hartnäckigkeit, und ihr wurde klar, daß sie sich diesen Roboter vom Hals schaffen mußte.
Die Voica hatten sich selbst demaskiert. Sie waren nicht länger an Dao-Lin-H'ay interessiert. Wenn sie aber schon keine Skrupel mehr hatten, Dao-Lin zu töten, dann würden sie Oogh at Tarkan auch nicht verschonen.
Sie mußten den Verstand verloren haben!
Dao-Lin war unbewaffnet. Es war nicht üblich, mit einer Waffe im Gürtel im Scotaming herumzulaufen, denn dort gab es keine Gefahren. Als sie das Scotaming verlassen hatte, hatte sie zwar Proviant mitgenommen, aber an eine Waffe hatte sie nicht gedacht.
Auch Oogh at Tarkan war unbewaffnet.
Aber sie hatte noch ein paar Tropfen Paratau, und damit ließ sich allerhand anstellen. Das wußte sie aus Erfahrung. Also holte sie
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