1370 - Amoklauf der Wissenden
den kleinen Kasten hervor - und stellte fest, daß er leer war.
Die Tränen der N'jala waren verschwunden. Dao-Lin wußte mit absoluter Sicherheit, daß sie die Tropfen nicht verbraucht hatte. Der Paratau hatte sich innerhalb des Kästchens aufgelöst, und sie hatte es nicht einmal bemerkt.
Oogh at Tarkan mußte noch Paratau bei sich haben. Vielleicht war auch dieser Vorrat mittlerweile verschwunden, aber daran wollte Dao-Lin jetzt nicht denken - noch nicht. Sie konnte sich immer noch den Kopf darüber zerbrechen, wenn es soweit war.
Sie kümmerte sich nicht mehr um den Roboter. Sie wußte, daß er ihrer Spur folgen würde, aber sie kannte jetzt auch die Geschwindigkeit, mit der die kleine Maschine vorrückte. Sie brauchte einen Vorsprung, damit sie Oogh at Tarkan warnen und die notwendigen Vorkehrungen treffen konnte. „Paratau?" fragte Oogh at Tarkan ohne besonderes Interesse, während er die von Dao-Lin-H'ay mitgebrachten Teile musterte. „Ich glaube nicht, daß du damit noch allzuviel anfangen kannst."
„Laß es mich versuchen", bat Dao-Lin, die die kleine Maschine auf ihren Spuren wußte. „Wenn es wirkt, haben wir einen Ärger weniger."
„Und wenn nicht?"
„Dann haben wir einen Roboter der Voica auf dem Hals", erklärte Dao-Lin und erzählte kurz von ihrer Begegnung.
Oogh at Tarkan stellte keine weiteren Fragen, sondern gab ihr das Kästchen. Sie warf einen Blick hinein und war erleichtert, als sie fünf Tränen sah. „Das reicht", behauptete sie. „Damit erwische ich ihn."
Oogh at Tarkan antwortete nicht. Er war bereits mit anderen Dingen beschäftigt. Es ärgerte Dao-Lin ein wenig, daß er sich so wenig um die drohende Gefahr kümmerte, aber sie sagte sich, daß man dies ebensogut als einen sehr schmeichelhaften Kommentar auffassen konnte: Oogh at Tarkan vertraute Dao-Lin und verließ sich darauf, daß sie mit einem Roboter auch ohne Hilfe fertig wurde.
Dao-Lin-H'ay hatte keine Minderwertigkeitskomplexe, aber diese sture kleine Maschine war ihr unheimlich. Sie hoffte nur, daß Oogh at Tarkan die Situation nicht völlig falsch einschätzte.
Immerhin hatte sie die Tränen. Sie hastete den Weg, den sie gekommen war, wieder zurück, und als sie sich der Stelle näherte, an der sie ihrer Berechnung nach auf den Roboter treffen mußte, bog sie in einen Seitengang ab.
Sie hatte sehr gut kalkuliert. Als sie auf den Hauptgang zurückkehrte, sah sie den Roboter, der bereits ein gutes Stück weiter vorne im Gang herumschnüffelte. Sie nahm einen der Tropfen und spürte die Wirkung, und als sie sich auf den Roboter konzentrierte, hob sich die kleine Maschine plötzlich vom Boden und krachte gegen die Wand.
Dao-Lin sprang hastig in den Seitengang zurück und wartete.
Es dauerte ein paar Sekunden, dann erklang das wohlvertraute Zischen. Der Roboter war also noch längst nicht lahmgelegt. Als sie um die Ecke spähte, hatte sich die Maschine umgedreht und näherte sich gemächlich. Der Roboter war bis auf ein paar kleine Beulen unversehrt.
Dao-Lin verstand das nicht. Sie hatte mit voller Kraft zugepackt, und es war ein wirklich kleiner Roboter.
Ihr Angriff hätte sein Inneres so durcheinanderbringen sollen, daß die Maschine nur noch Schrottwert besaß.
Sie sagte sich, daß es am Paratau liegen mußte. Wahrscheinlich hatte auch Oogh at Tarkans Vorrat bereits gelitten, und die Tränen enthielten nicht mehr soviel Energie, wie Dao-Lin es gewohnt war.
Sie hatte nicht alle Kraft verbraucht, aber ehe sie es abermals versuchte, nahm sie zwei weitere Tropf en des Psichogons in die Hand. Sie wartete, bis sie die volle Wirkung spürte, konzentrierte sich dann sehr sorgfältig und stieß zu.
Der Roboter flog in die Luft, prallte gegen die Decke des Ganges, sprühte Funken nach allen Seiten und fiel auf den Boden zurück. Es krachte und zischte, und Dao-Lin zog hastig den Kopf ein. Endlich wurde es still.
Sie sah nach dem Rechten. Der Roboter existierte noch, aber einige seiner Fühler waren verschwunden, und seine Hülle war geschwärzt und verbeult. In seinem Innern knackte es leise.
Dao-Lin betrachtete den Roboter voller Zweifel. Am liebsten hätte sie auch noch die beiden letzten Tränen genommen und der Maschine ein für allemal den Garaus gemacht, aber sie sagte sich, daß das Verschwendung wäre. Es würde ihr wohl kaum gelingen, sich Nachschub an Paratau zu verschaffen, und es mochte eine Situation eintreten, in der sie die beiden letzten Tropfen dringend brauchte.
Daher steckte sie das Kästchen
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