1370 - Das Vampir-Lager
Schritt vorsichtig und auch irgendwie zögernd, als würde in jeder dunklen Ecke eine Gefahr lauern, die jeden Augenblick erscheinen und zuschlagen konnte. Ihrer Ansicht nach gab es auch zu wenig Licht im Haus, doch das passte irgendwie zu der Stille, die plötzlich durch ein knarzendes Geräusch vor ihnen unterbrochen wurde.
Sofort blieben beide stehen.
»Was war das?«
Marek lachte leise. »Das kann ich dir sagen, Glenda. Meine Warnanlage, ein loses Dielenbrett. Mir scheint, dass du tatsächlich Recht behalten wirst.«
Glenda wäre es umgekehrt lieber gewesen. Sekunden später schon bekamen sie den Beweis. Aus dem dunklen Hintergrund löste sich eine Gestalt. Es war das weibliche Wesen, und Marek, der alte Kämpfer, stieß tatsächlich einen leisen Schrei aus.
»Was hast du?«
»Verdammt, ich kenne die Gestalt!«
»Woher?«
»Von hier, aus Petrila…«
Nun verstand Glenda Perkins die Welt nicht mehr…
***
Chesterfield hatte sein Geschäft sogar von innen abschließen wollen.
Davon hatten wir abgeraten und ihm erklärt, dass er mit uns gut zusammenarbeiten könnte.
Nur spürten wir seine Angst. Er tat zwar nichts, was dieser Angst richtig Ausdruck verliehen hätte, allein seine Haltung drückte dieses Gefühl aus, und er selbst wusste, dass er etwas dagegen unternehmen musste. Zwar waren wir nicht begeistert, als er nach der Whiskyflasche griff, wir konnten es ihm jedoch nicht verbieten.
Auf ein Glas verzichtete Chesterfield. Er lehnte sich gegen seine Theke und trank einen Schluck Whisky. Sein Gesicht bekam wieder Farbe. Mit dem Handrücken wischte er über seinen Mund.
Uns schaute er mit einem ängstlichen und zugleich flehenden Blick an, als wollte er so um Vergebung bitten.
»Ich musste es einfach tun«, sagte er.
»Was?«, fragte ich.
»Die Leichen aufbewahren. Es war ein toller Deal. Ich habe wirklich ein gutes Geschäft gemacht.« Er lachte. »Und wer von uns braucht denn kein Geld? Sie, ich und…«
»Es kommt darauf an, wie man es verdient«, erklärte ich. »Da gibt es auch Grenzen.«
»Ich habe ja keinen Menschen umgebracht«, verteidigte er sich.
»Okay, reden Sie weiter.«
»Jemand hat mir eben eine Menge Kohle dafür bezahlt, dass ich für ihn eine kurze Zeit Leichen aufbewahre. Sie wurden abgeholt, und zwar von den Männern, die auch den Fisch anlieferten. Ihr Wagen war dann leer und bereit für die Toten.«
Bisher hatte der Fischverkäufer nur wenig gesagt, uns aber trotzdem die Augen geöffnet. Er war praktisch nur Zwischenhändler oder eine Zwischenstation. Einer, der eine Ware aufbewahrte, die dann abgeholt wurde. Nur waren es keine Fische gewesen, sondern Leichen.
»Dann hat Ihnen also Ray Jenkins das Geld gegeben.«
»Nein.«
Er hatte nur das eine Wort gesagt, doch es hatte sehr echt geklungen. Es war keine Lüge, und er schaute uns zudem aus staunenden Augen an, weil wir auf dem falschen Dampfer waren.
»Wer gab Ihnen das Geld dann?«, wollte Suko wissen.
»Ein Mann, den ich nicht kenne.«
Wir mussten beide lachen.
»Der große Unbekannte also?«
»Ja, Inspektor, so ist es gewesen. Der große Unbekannte hat mir den Deal vorgeschlagen. Er hat auch die Leichen gebracht. So war alles in Ordnung.«
»Wie viele sind es denn gewesen? Zwei, drei oder mehr?«
»Eher mehr.« Chesterfield senkte den Blick schaut auf seine halb leere Flasche. »Ich habe sie nie lange in meinem Wagen versteckt. Sie wurden schnell wieder abgeholt.«
»Waren es immer die gleichen Fahrer?«
»Ja.«
»Und dann sind die Toten zu diesem Großhändler geschafft worden, um sie dort einzulagern?«
»Das kann ich nicht sagen, aber es ist durchaus möglich. Ich habe mit Jenkins nie über das Thema gesprochen. Außerdem ist er nicht die treibende Kraft gewesen.«
»Sie bleiben also bei dem großen Unbekannten?«, fragte Suko.
»Das muss ich.«
Suko lächelte Chesterfield an. »Dann können Sie den Mann doch sicherlich beschreiben – oder?«
Er schaute dabei zu Boden.
»Können Sie es? Oder können Sie es nicht?«
»Ich kann es nicht.«
»Was? Wieso das?«
»Ja, das stimmt. Es ging alles in der Nacht über die Bühne. Als der Mann die Toten anlieferte, war sein Gesicht nicht zu sehen. Er hatte sich eine Strickmütze über den Kopf gezogen. Er trug auch Handschuhe. Ich nahm das Geld, lud die Leichen um, und der Mann verschwand wieder.«
»Was fuhr er für einen Wagen?«
»Einen Transporter.«
»Die Marke?«
»Mercedes wohl.«
Suko und ich schauten uns an. Beide dachten wir darüber
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