1371 - Das Erbe der Toten
ich zum Büro fahren. Wir mussten uns einen Schlachtplan ausdenken. Irgendwie musste es weitergehen.
Dass Mike Curtiz getötet worden war, empfand ich als verdammt schlimm. Und ich hatte ihm nicht zur Seite stehen können. Allein die Tatsache, dass man ihn so einfach aus dem Weg geschafft hatte, ließ tief blicken und deutete darauf hin, dass es nicht um Peanuts ging. Da steckte schon mehr dahinter.
Es ging um Macht, um Einfluss und um eine Geheimorganisation, die all dies vermehren wollte.
Was hatte ich von dem Mörder gesehen?
Dass er ein Mann war, stand fest. Dass er eine dunkle Kutte getragen hatte, ebenfalls. Obwohl mir die genaue Farbe dieses Kleidungsstücks nicht bewusst war.
Hinzu kam sein Gesicht. Kein normales in diesem Fall, denn er hatte es durch eine Maske verdeckt.
Eine glatte und zugleich helle, die aussah, als wäre sie mit einem goldenen Puder bestäubt worden. Und golden war auch der Dolch gewesen, der Mike Curtiz getötet hatte und dem ich im letzten Augenblick entkommen war. War diese Farbe ein Zeichen? Ich ging davon aus und ahnte, dass ich in der Vergangenheit wühlen musste, um mehr über diese nicht eben harmlose Gesellschaft zu erfahren.
Bevor ich mir weitere Gedanken über dieses Thema machen konnte, sah ich im Innenspiegel die Bewegung. Die von mir herbeitelefonierten Kollegen rollten an. Nun ja, rollen konnten sie nicht eben. Sie schoben sich eher näher heran und waren auch nicht in der Lage, nebeneinander zu parken. Dafür war es einfach zu eng.
Ich verließ den Rover ebenfalls. Im Moment regnete es nicht.
Wenn ich gegen den Himmel schaute, dann sah ich die gewaltigen Wolkenberge, die als graue Wand weitergetrieben wurden. Das ließ darauf schließen, dass dieser Sommertag, der kaum einer war, noch mehr Nachschub an Regen bringen würde.
Ich kannte den Chef der Truppe, der mir entgegenkam, mich aber nicht anschaute, sondern die Umgebung betrachtete. Erst als wir beinahe zusammengeprallt wären, blieb er stehen.
»Nichts für ungut, Mr. Sinclair, aber Sie haben sich nicht eben eine tolle Umgebung ausgesucht.«
»Stimmt.«
Er reichte mir die Hand. Der Mann hieß Hawthorne, war Mitte 40, hatte sein Haar exakt gescheitelt und wirkte durch die Tränensäcke unter den Augen irgendwie immer etwas traurig.
»So ist das Leben. Aber in der Kirche haben sie Platz genug.«
Er verzog die Lippen. »In der Kirche liegt die Leiche?«
»Genau.«
Er fuhr über sein linkes Ohr. »Ungewöhnlicher Ort. Ist mir auch noch nicht passiert.« Er schaute sich den Bau an und hob dabei etwas ratlos die Schultern. »Ich weiß es nicht, aber einen Rundbau als Kirche habe ich noch nie gesehen.«
»Sie ist auch keine normale Kirche. Dieser Rundbau deutet auf die Templer hin.«
»Aha.«
Mehr sagte er nicht und folgte mir. Dabei gab er seinen Leuten einige Anweisungen. Einer stellte die Tür durch einen Keil fest. Ein anderer packte seine Geräte aus. Es war der Fotograf.
Hawthorne und ich aber gingen auf den Toten zu, der von meinem Kollegen kaum wahrgenommen wurde, weil er sich umschaute und die Figuren der Ritter betrachtete, die sich vom Boden abhoben. Er pfiff leise durch die Zähne und flüsterte: »Das ist wirklich eine besondere Kirche. Werden hier auch Messen abgehalten?«
»Es gibt einen Altar«, antwortete ich ausweichend. »Sicher.«
Wir blieben neben dem Toten stehen, dessen leblose Gestalt bald vom Licht eines Scheinwerfers erfasst wurde. Die Stichwunde war deutlich zu sehen, und um sie herum hatte sich ein großer Blutfleck ausgebreitet.
»Sie wissen, wie er ums Leben kann?«, wurde ich gefragt.
»Ja.«
»Und wie?«
Ich winkte ab. Dann berichtete ich, dass ich mit dem Täter gekämpft hatte, es mir aber nicht möglich gewesen war, ihn an seiner Flucht zu hindern.
»Schade. Dann hätten wir ein Problem weniger.«
»Sie sagen es.«
Ich wollte die Kollegen nicht stören und stellte mich abseits hin.
Natürlich war das hier nicht alles, denn meine Gedanken drehten sich mehr um den seltsamen Anbau und das Versteck darunter. Auf keinen Fall hatte ich das Bild vergessen, das dort stand. Ich wollte es nicht im Verlies stehen lassen und mitnehmen.
Zuvor allerdings wurde ich von Hawthorne abgelenkt. Einer seiner Mitarbeiter hatte ihm etwas gegeben, das er bei dem Toten gefunden hatte. Es war ein viereckiges Stück Karton. Nicht besonders groß, eine Visitenkarte.
Der Kollege winkte damit, als er auf mich zutraut. »Hier steht ja alles abgedruckt, was wir wissen müssen. Sie haben den
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