1373 - Die vergessene Sage
Da musste ich schon mehr an die Wissenschaft denken.
Sie hatte das Kreuz bekommen, aber die rechte Hand lag noch frei. Die ließ ich nicht los.
Ich selbst wuchtete mich auf Glenda zu, hielt sie an der rechten Hand fest und legte ihr die linke Hand um den Körper.
Glenda nahm es wahr. Sie tat nichts dagegen. Sie schaute an mir vorbei, und ich sah das Entsetzen in ihren Augen. Was sie selbst sah, das sah ich nicht, denn für mich blieb das Zimmer normal, und auch das Bild lag nach wie vor auf dem Bett.
Wieder erklang ein Schrei.
Diesmal hatte ich ihn ausgestoßen. Um meinen Körper herum spürte ich den gewaltigen Druck, der mich umschlang. Er schien aus zahlreichen harten und zugleich weichen Armen zu bestehen. Es war mir kaum möglich, Luft zu bekommen, und im nächsten Moment fiel um mich herum alles zusammen. Es gab nichts mehr, und es gab mich nicht mehr.
Ich raste in ein tiefes Loch hinein…
***
Der Fall, die Schwärze, die mich wie ein maschendichter Vorhang umgab. Ob ich die Augen weit geöffnet hatte oder nicht, das war für mich wenig nachvollziehbar. Ich fühlte mich wie ein Geist, der aus der Hülle seines Körpers herausgepresst worden war.
Und doch gab es mich.
Ich war nicht tot, ich konnte atmen und stellte fest, dass ich sogar mit beiden Beinen auf einem harten Widerstand einen Platz gefunden hatte.
Der erste Schock schwand schnell dahin. Was magische oder ungewöhnliche Reisen anging, so war ich kein Neuling auf dem Gebiet. Sie zählten zwar nicht zur Normalität, aber ich fand sie auch nicht mehr so befremdend. So hatte es mich schon tief in die Vergangenheit in das alte Atlantis getrieben oder auch in andere Dimensionen hinein, die von Dämonen und ähnlichen Kreaturen bewohnt waren. Bisher hatte ich noch immer den Rückweg gefunden und hoffte, dass es auch diesmal der Fall sein würde. Zunächst musste ich herausfinden, wohin es mich getrieben hatte.
Ich schaute mich um.
Es war und es blieb dunkel. Ich hörte auch nichts. Kein Geräusch drang an meine Ohren. Ich wünschte mir, Glendas Stimme zu vernehmen, aber auch sie befand sich nicht in der Nähe.
In der tiefen Dunkelheit war natürlich nicht feststellbar, in welch einer Umgebung ich mich aufhielt. Dazu brauchte ich Licht, das es natürlich nicht gab.
Aber ich hatte nicht nur die Beretta mit auf die Reise genommen, sondern auch meine schmale Leuchte. Sie würde mir über die ersten Probleme hinweghelfen.
Ich holte sie hervor, und da war es egal, in welche Richtung ich den Strahl schickte.
Was sah ich?
Nicht viel.
Die Finsternis wurde von diesem hellen Lichtstreifen an einer Stelle zerschnitten. Er sah aus wie ein straff gespanntes helles Band, das an einer bestimmten Stelle endete, weil die Dunkelheit es letztendlich einfach auffraß.
Ich blieb nicht auf der Stelle stehen, sondern bewegte mich nach vorn. In der Hoffnung, auf einen Punkt zu treffen, an dem ich mich orientieren konnte. Ich wusste nicht mal, ob ich mich im Freien befand oder in einem Gebäude aufhielt, denn bei jedem Schritt überkam mich der Eindruck, durch Watte zu gehen. Ich spürte es kühl und irgendwie fettig auf meiner Haut, und wenn ich durch den Mund atmete, hatte ich das Empfinden, so etwas wie Klebstoff einzusaugen.
Die Lampe ließ ich an. Sie war für mich der Strahl der Hoffnung, der mich auch zu Glenda Perkins führen sollte.
Dass sie unterwegs verschollen war, das konnte ich mir nicht vorstellen. Irgendwo musste sie sein, aber sie hatte sich von mir getrennt. Ob es freiwillig passiert war, stand in den Sternen.
Furcht verspürte ich nicht. Eher eine gewisse Neugierde, die mich weitertrieb, wobei ich sogar davon überzeugt war, irgendwann an ein Ziel zu gelangen.
Und das war das Licht!
Nicht das Licht meiner Lampe. Ein ganz anderes, das zudem auch anders aussah. Es leuchtete allerdings sehr schwach weiter vor mir und längst nicht so ruhig wie die Lichtfinger aus der Lampe.
Drei Lichtquellen fielen mir auf. Entfernt. Vielleicht sogar weit entfernt. Abzuschätzen war es in der Dunkelheit nicht, aber das Licht war vorhanden.
Mein neues Ziel.
Natürlich ging ich nicht schnell, denn ich konnte nicht mehr sehen, was vor mir auf dem Boden lag. Bisher allerdings war ich von keinem Hindernis aufgehalten worden, und ich wünschte mir, dass es so blieb.
Das Licht kam näher, das musste einfach so sein. Nur veränderte es sich nicht. Ich konnte beim besten Willen nicht sagen, wann ich es erreichen würde.
An den Begriff der Zeit dachte ich nicht im
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