1373 - Die vergessene Sage
Traum. Und so wusste ich auch nicht, wie viel davon vergangen war, als ich mein erstes Ziel erreichte.
Es war zugleich das erste Hindernis, das sich vor mir aufbaute, und diesmal holte ich wieder die Lampe hervor und ließ den Lichtstrahl nach unten gleiten.
Es war eine Treppenstufe!
Die letzte in der langen Reihe oder die erste. Es kam ganz auf die Sichtweise oder den Standort an.
Ich stand vor ihr, und ich hob den linken Arm an, um den Strahl über die Stufen gleiten zu lassen. Er wurde auf den vorderen Kanten geknickt, wanderte hoch und an den Lichtern vorbei, die links von mir zu sehen waren.
Seltsame Lichter. Kerzen oder kerzenähnliche Gegenstände, die in flachen Köpfen steckten. Sie hätten gut zu irgendwelchen Echsen gepasst, aber das war jetzt nicht wichtig.
Oder doch?
Etwas kam in meinem Kopf zusammen, und daran trug Glenda Perkins die Schuld. Sie hatte mir von ihrem Traum erzählt, und ich erinnerte mich wieder an den Inhalt. Sie hatte von einer langen Treppe gesprochen, die sie hinabgeschritten war, und auch von kleinen Lichtern, die wie Kerzen aussahen und in Reptilienköpfen steckten.
Umgeben war das Ganze von einer tiefen Dunkelheit gewesen, und genau das sah ich jetzt vor mir. Nur dass ich am unteren Ende der Treppe stand und die Stufen hochschaute.
Bis wohin?
Ja, fast bis zum Ende, denn so weit reichte der lichtstarke Strahl hoch.
Nur war und blieb die Treppe leer. Weder von Glenda noch von einer anderen Person war etwas zu sehen.
Eine Treppe, die nach oben führt, ist nicht so schlimm wie eine die in die entgegengesetzte Richtung führt. So sah ich die Dinge zumindest. Beide führen dann zu einem Ziel, doch das Ziel in der Höhe ist oft besser zu verkraften, als das in der Tiefe. Da ging es raus und nicht rein.
So dachte ich, und deshalb wollte ich mich auf den Weg nach oben machen.
Mein Fuß berührte bereits die zweite Stufe, und die schmale Lichtlanze floss auch über die Stufen hinweg, als ich plötzlich etwas wahrnahm und stehen blieb.
Ich wollte sicher sein, dass es sich nicht um einen Irrtum handelte.
Ich hatte mir doch nichts eingebildet, verdammt, aber darauf schwören konnte ich auch nicht.
Ja, da gab es eine Bewegung. Das stellte ich fest, als ich den Arm mit der Lampe bewegte. Der Kreis zielte nicht mehr ins Leere, sondern hatte etwas erwischt.
Was sich da präsentierte, war für mich noch nicht zu sehen. Ich war einfach zu weit entfernt, doch ich erkannte, dass es ein heller Gegenstand war.
Gespannt wartete ich ab.
Die Figur oder die Person kam die Treppe herab. Und sie ging dabei nicht schnell. Sie war auch weiterhin gut zu erkennen, weil sie etwas Helles trug.
Helles?
Ohne dass ich es bewusst gelenkt hätte, verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. Auf meinem Rücken spürte ich ein Kribbeln. Mein Herz klopfte schneller, und als die Person noch eine weitere Stufe nach unten schritt, da war mir klar, um wen es sich handelte.
Um Glenda Perkins!
***
Erleichterung durchströmte mich. Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln. In einem ersten Impuls hatte ich sie ansprechen wollen, was ich jetzt jedoch bleiben ließ. Ich wollte sie kommen lassen und ihr dabei auch ein Stück entgegengehen.
Die weiteren Stufen schritt ich hoch, ohne die Lampe zu löschen.
Das Licht musste Glenda aufmerksam machen, denn es traf sie bereits. Sie kam Meter für Meter näher. Ich strahlte gegen ihr Gesicht.
Jeder normale Mensch hätte mit den Augen gezwinkert oder zumindest eine Hand in die Höhe gehoben.
Glenda tat es nicht. Sie ließ die Berührung durch das helle Licht über sich ergehen und schien gar nicht zu merken, dass sie angeleuchtet wurde.
Sehr steif ging sie die Stufen hinab. Sie tat das Gleiche, was sie auch in ihrem Traum unternommen hatte, der mir so plastisch vor Augen geführt wurde.
Bei jedem Schritt stieß sie innen mit den Knien gegen den Kleiderstoff. Sie brachte ihn zum Wallen, sodass es aussah, als würde sie mit dem Saum die Treppe fegen.
Die schwarzen Haare trug sie offen. Sie berührten ihre Schultern und machten das Gesicht irgendwie noch bleicher.
Ich war einige Stufen in die Höhe gegangen. In den nächsten Sekunden würden wir zusammentreffen, und ich war verdammt gespannt auf diese Begegnung.
Sie hielt an.
Ich stoppte ebenfalls.
Da Glenda über mir stand, schaute sie über meinen Kopf hinweg, und sie tat mir nicht den Gefallen, den Blick zu senken. Sie unternahm nichts und sprach auch kein Wort. Das kam mir mehr als ungewöhnlich vor. Es
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