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1373 - Die vergessene Sage

1373 - Die vergessene Sage

Titel: 1373 - Die vergessene Sage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hoben und senkten.
    Wahrscheinlich stand sie noch immer unter einem Rausch. Und sicherlich hätte sie sich auch auf mich gestürzt, wäre ich nicht ich gewesen, sondern ein Mensch, der in ihrem Umkreis lebte.
    Aber das war ich nicht.
    Ich sah anders aus. Ich war ein anderer. Ein Fremder, der auch anders gekleidet war. Deshalb war sie unsicher geworden. Hinzu kam meine Größe, die sie sicherlich beeindruckte, denn in früheren Zeiten waren die Menschen kleiner gewesen.
    Ich konzentrierte mich auf ihre Augen. An deren Ausdruck kann man oft die Stimmung der Menschen ablesen und auch ihre Reaktionen erahnen. Ruhig blieben sie nicht. Die Augen befanden sich in ständiger Bewegung. Sie suchten nach einem Ausweg. Nur war es fraglich, ob sie ihn auch finden würden.
    Ich ging eine Schrittlänge auf sie zu und deutete dabei auf den Torso.
    »Warum?«, fragte ich.
    Die Bewegungen der Augen hörten auf. Sie starrte mich jetzt an.
    »Wer bist du?«
    »Du wirst mich nicht kennen.«
    »Sag trotzdem deinen Namen!«
    »John Sinclair.«
    Ich irrte mich. Sie kannte den Namen sehr wohl. Das sah ich an ihrer Reaktion. Sie schüttelte den Kopf und flüsterte: »Du gehörst zu den St. Clairs?«
    Durch die Betonung und durch die andere Aussprache erfuhr ich, was sie meinte. Der Name St. Clair stammte tatsächlich aus Frankreich. Er hatte dort einen mächtigen Ruf, aber es war zu Streitigkeiten gekommen, und so waren meine Vorfahren ausgewandert und hatten eine neue Heimat in Schottland gefunden, von wo aus auch der legendenumrankte Henry St. Clair nach Amerika aufgebrochen war und Teile des Templer-Schatzes mitgenommen hatte.
    »Ich bin nicht der St. Clair, den du meinst.« Ich sprach sie nicht in der damals üblichen dritten Person an, und das auch, um sie nicht höher zu stellen, »aber meine Vorfahren haben zu dieser Sippe gehört. Das gebe ich gern zu.«
    Celine verzog den Mund. »Vorfahren? Ahnen?«
    »Ja.«
    »Und du?«
    »Jetzt bin ich hier und stehe einer Mörderin gegenüber.«
    Diese Sprache wurde auch in der Vergangenheit verstanden, das entnahm ich ihrem Lachen.
    »Mörderin?«, rief sie, als ihr Lachen verstummte. »Dieser Trottel hat nur das bekommen, was er verdient. Er hat mich als tote Frau gemalt, aber ich lebe, wie du sehen kannst. Ich würde so etwas immer wieder tun. Das kann ich nicht zulassen. Er war ein guter Maler, einer der besten, aber jetzt nicht mehr. Dieses Bild werde ich vernichten, denn ich lebe auch weiterhin. Ich habe mir einen Schutz geholt, der…«
    »Das wirst du nicht tun!«, sagte ich scharf.
    Sie war für einen Moment überrascht, hob sogar das Schwert an und zielte auf mich.
    »Willst du mich daran hindern?«
    »Vielleicht ja – vielleicht kommt es auch ganz anders. Wer kann das schon sagen? Aber eines kann ich dir versichern. Ich kenne das Bild, das gerade vollendet worden ist, aus meiner Zeit. So wie es gemalt wurde, hat es die langen Jahrhunderte überdauert. Es wurde im Verlies einer Templer-Kirche gefunden, und es hat all die Jahre unbeschadet überstanden. Allerdings weiß ich nicht, wer es in dieses Versteck hineingelegt hat. Du bist es bestimmt nicht gewesen.«
    »Nein, das war ich auch nicht! Ich habe es nur vernichtet! Du kannst es nicht gefunden haben!«
    »Irrtum, Celine!«
    Sie steckte wieder voller Wut. Sie hatte den Mund aufgerissen. Sie brüllte mich an, und ihre Stimme überschlug sich dabei. Ich glaubte sogar, in ihren Augen Tränen zu sehen. Dann schnappte sie nach Luft und riss sich wieder zusammen.
    »Also gut!«, flüsterte sie, »du sagst das, und ich sage das. Wir werden es sehen, denn ich werde das Bild jetzt und auch in deinem Beisein vernichten!«
    »Dann fang an!«
    Sie war von meiner Reaktion so überrascht, dass sie zunächst nichts tat. Sie schaut nur auf das Bild, dann wieder auf mich, als überlegte sie, was nun tatsächlich geschehen sollte.
    Das Bild stand nicht zwischen uns. Es hatte seinen Platz auf der Staffelei behalten. Aber wir waren ungefähr gleich weit von ihm entfernt, nur eben aus zwei verschiedenen Perspektiven.
    Keiner der Zuschauer griff ein. Sie waren nicht mal in der Lage, etwas zu sagen. Sie blieben im Hintergrund, und ich konnte mir vorstellen, dass sie den Atem anhielten.
    Das Feuer gab auch weiterhin sein Licht ab. Flammen und Schatten vermischten sich. Es blieb auch weiterhin das etwas verzerrte Bild der Umgebung bestehen.
    Sie überlegte noch. Wog die Chancen ab. Dachte darüber nach, was ich ihr so Unbegreifliches gesagt hatte, denn was

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