1373 - Die vergessene Sage
einem Verlies. Nein, auf die Menschen kann man sich nicht verlassen, nur auf sich selbst. Und das tue ich. Ich werde auch den Menschen beweisen, dass man mit mir nicht so umspringen kann. Ich werde ihnen meine Stärke zeigen. Jetzt und hier!«
Alle hatten ihre Rede gehört. Auch wir gehörten dazu, und mir konnten die Worte nicht gefallen. Ich sah in ihnen eine starke Drohung, und Celine war eine Frau, die das auch meinte, so wie sie es sagte.
Glenda stieß mich an. »Ich denke, dass sich das nicht besonders gut angehört.«
»Finde ich auch.«
»Was hat sie vor?«
»Hoffentlich nicht das Allerschlimmste.«
Rechnen musste man damit. Ich würde mir allmählich Gedanken darüber machen müssen, wie ich die Person stoppen konnte. Eine wie sie setzte ihr Vorhaben immer in die Tat um.
Der Maler war zu einem Bündel der Angst geworden. Ich konnte mir denken, dass er am liebsten geflüchtet wäre. Den Mut brachte er nicht auf, und so blieb er zitternd in der Nähe der Hexe stehen. Er bewegte den Kopf. Er flehte mit Blicken um Hilfe, doch es war niemand da, der sich für ihn einsetzen würde. Jeder Zuschauer hier wusste, wie gefährlich die Person war.
»Du hast mein Bild gemalt, Angelo Furletto!«, rief die Frau mit lauter Stimme, »und ich werde dir dafür den gerechten Lohn zahlen. Den hast du verdient!«
Sie hatte es ausgesprochen, aber sie meinte es nicht so. Dahinter steckte eine verflucht teuflische und mörderische Absicht.
»Das ist dein Lohn!«, brüllte sie.
Noch während das Echo der Stimme durch die Luft hallte, riss sie ihr Kurzschwert aus dem Gehänge, hob den Arm in einem genauen Winkel und setzte zum tödlichen Schlag an.
Das war auch das Startsignal für mich!
***
Ich rannte los. Ich war so schnell wie selten, denn ich wollte diesen brutalen Mord verhindern.
Sicherlich hätte ich geschossen, wenn die Schussbahn frei gewesen wäre.
Sie war es leider nicht!
Zu viele Menschen standen mir im Weg. Ich hätte den einen oder anderen treffen können und musste entweder einen Bogen schlagen oder mich durch die Wand wühlen und sie niederreißen.
Ich entschied mich dafür, den Halbkreis zu umrunden. Ich brüllte ebenfalls. Mein Frust musste raus, denn ich wollte die verfluchte Mörderin stoppen.
Es gelang mir nicht.
Ich war und blieb zu weit weg, und Celine de Vichier war schnell und kannte keine Gnade. Außerdem konnte sie mit dem kleinen Schwert perfekt umgehen. Sie brauchte nur einen Schlag, um den Hals an der richtigen Stelle zu treffen.
Es passierte genau das, was ich leider nicht verhindern konnte.
Der Maler verlor seinen Kopf.
Ich hasste diese Art, jemand zu töten. Überhaupt konnte ich keinen Grund dafür sehen, einen anderen Menschen umzubringen.
Leider hatte sich die Methode, Menschen so zu töten, über Jahre hinweg gehalten, so etwas erlebte ich leider auch in der Gegenwart, sogar im Internet waren Enthauptungen von Geiseln im Irak verbreitet worden. Da hatte auch niemand eingegriffen. Hier versuchte ich es, und ich musste sehen, dass sich der Kopf des Malers von seinem gedrungenen Körper löste. Jetzt zu schießen, hätte keinen Sinn mehr gehabt, und ich war kein Mörder. Ich wollte nicht auf Celine feuern, die ihren Triumph genoss und dies durch einen wilden Schrei kundtat.
Sie kümmerte sich nicht mehr um den Maler. Das Schwert mit der jetzt blutigen Klinge riss sie hoch, um ihrem Triumph Ausdruck zu verleihen. Sie wollte sich vor den Menschen produzieren und sehr deutlich zeigen, wer hier das Sagen hatte.
Was mit den Zuschauern passierte, wusste ich nicht, denn ich hatte nur Augen für die Mörderin, die sich den Fortgang auch anders vorgestellt hatte, denn plötzlich sah sie mich.
Zu einem Freudenschrei hatte sie schon angesetzt, nun blieb ihr der Triumph in der Kehle stecken, denn sie schaute auf einen Menschen, der nicht in ihre Zeit hineinpasste.
Ich hatte meinen Lauf gestoppt. Ich stand ihr gegenüber und mich überlief ein Schauer, als ich daran dachte, dass ich so etwas wie ein lebendes Bild sah…
***
Es verging Zeit, in der wir kein Wort sprachen. Jeder suchte nach den richtigen Worten. Celine de Vichier stand breitbeinig vor mir.
Ihre Waffe hielt sie in der rechten Hand. Die Klinge wies schräg nach unten, und so konnte an der blanken Schneide das Blut herabrinnen und von der Spitze zu Boden tropfen.
Auch Celine de Vichier war von diesem Kampf mitgenommen worden. Sie atmete heftig. Ihre Brüste waren jetzt zum Teil verdeckt, und doch sah ich, dass sie sich
Weitere Kostenlose Bücher