1373 - Die vergessene Sage
Höhe gezogen werden.
»Das schaffst du allein!«
Der Maler merkte, dass er keine Chance hatte. Er bemühte sich.
Jeder Zuschauer sah, wie schwer es ihm fiel. Er schaffte es zur Hälfte, brach dann wieder zusammen und unternahm einen erneuten Versuch, bei dem er es tatsächlich fertig brachte, sich schwankend hinzustellen. Richtig halten konnte er sich nicht. Er stand vor Celine und schwankte dabei von einer Seite zur anderen.
Mit der Linken griff Celine in die fettigen Haare hinein. Sie stellte sich den Maler so zurecht, wie sie es haben wollte. Da er durch den Buckel kleiner war als sie, schaute Celine zu ihm herab.
»Kannst du jetzt sprechen?«
Furletto wischte Blut von seinen Lippen weg. »Versuche es.«
Die Antwort war kaum zu hören gewesen. Auch Glenda und ich hatten sie mehr erraten.
Aber die Schwester des Templers gab sich damit zufrieden. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und wirkte so wie ein römischer Imperator, der ein Verhör durchführt.
»Warum hast du mich so gemalt?«
Furletto wischte wieder Blut von seinem Mund weg, das zuvor aus der Nase gesickert war.
»Rede!«, schrie sie. »Mach dein verdammtes Maul auf!«
Der Künstler bemühte sich redlich. Was er sagte, verstanden wir nicht. Es war mehr ein Gebrabbel, und auch Celine hatte damit ihre Probleme, denn sie senkte ihren Kopf noch tiefer und legte eine Hand gegen ihr rechtes Ohr.
»Noch mal, was hast du gesagt?«
Er wiederholte seine Worte und hatte dabei abwehrend die Arme gehoben. Aber Celine schlug diesmal nicht zu. Sie ging sogar einen kleinen Schritt nach hinten, schüttelte den Kopf und wiederholte so laut wie möglich indirekt die Antwort.
»Du hast von meinem verfluchten Bruder gesprochen. Diesen selbst ernannten Heiligen? Nein, das glaube ich dir nicht. Wie sollte mein Bruder dazu kommen, dir das zu sagen?«
Jeder wusste jetzt Bescheid. Ich hatte Glenda die Worte übersetzt, und sie schüttelte verständnislos den Kopf.
»Er hat es aber getan!«
»Warum?«
»Ich weiß es doch nicht…«
Celine holte tief Luft. Dann schrie sie in die Gegend und die Stille hinein, dass sie sehr wohl noch am Leben war und ihr das auch niemand würde nehmen können.
»Ja, und ich werde nicht nur lange leben, sondern ewig, denn ich habe mich dem Höllenfürst verschrieben. Er wird mir den nötigen Schutz gewähren. Ich werde das bekommen, wovon viele Menschen träumen. Mein ewiges Leben, und mein Leben für ihn!«
Speichel sprudelte wie Schaum vor ihrem Mund. Sie war so erregt, als wäre in ihr ein Feuer angezündet worden. Sie brannte innerlich, sie wollte nicht aufgeben und wandte sich wieder an den Maler, als sie sich etwas beruhigt hatte.
»Du hast mich so gemalt, weil mein Bruder es wollte. Er will mich tot sehen. Zwei Pfeile stecken tief in meinem Körper. Genau das ist sein großer Traum. Aber ich werde dafür sorgen, dass er nicht eintritt. Ich werde diejenige sein, die einen Renaud de Vichier überlebt, ob er nun in seinen Templerkreisen Macht hat oder nicht. Ich bleibe von uns übrig, verstehst du?«
»Ja, ja, aber…«
Sie ließ den Mann nicht zu Ende reden. »Und du bist ihm gefolgt. Du hast dich nicht gewehrt. Wahrscheinlich hast du dich sogar darüber gefreut, dass du eine Tote malen kannst und…«
»Nein, nein, so ist es nicht gewesen. Das musst du mir glauben. Ich konnte nicht anders, versteh doch.« Der Bucklige war vor Angst außer sich. Er legte seine Hände gegeneinander und streckte sie der Frau flehentlich entgegen.
»Ach, was höre ich da? Du konntest nicht anders?«
»Ja.«
»Warum nicht?«
»Ich wäre sonst ein toter Mann gewesen. Oder man hätte mich in ein Verlies geworfen. Aber das wollte ich nicht. Du musst es verstehen. Ich wollte… ich will nur malen.«
»So ist das. Bei mir wäre dir das alles egal gewesen, nicht wahr? Da hättest du überhaupt nicht reagiert und nur daran gedacht, wie ich wohl reagieren würde.«
»Ich hatte mit dir nicht gesprochen.«
Celine spie aus. »Für wen hältst du mich eigentlich, Angelo Furletto? Für wen? Sag es.«
»Ich kann es nicht genau sagen. Für eine gute Frau, die von vielen Männern verehrt wird.«
»Ja, das stimmt. Ob die Frau, die du in mir siehst, allerdings gut ist, wage ich zu bezweifeln.«
»Die Leute sagen es…«
»Ach.« Es folgte eine abwehrende Handbewegung. »Die Leute lügen. Schau dich doch um. Du siehst die Gefahr. Die meisten von ihnen tun entsetzt. Alles nur Maske. Gern würden sie mich brennen sehen oder für immer vergraben in
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