1375 - Wächterin der Toten
verhindern können.
War es ihr Schutzengel gewesen?
Johnny wusste selbst nicht, weshalb er sich mit dieser Frage beschäftigte. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich einiges verändert. Er wusste jetzt, dass es Feinde gab, obwohl er noch keine zu Gesicht bekommen hatte. Aber Geister logen wohl nicht. Davon ging er zunächst aus.
Hier hatte er nichts mehr zu suchen. Dieser Friedhof war nicht mehr als eine Basis gewesen für…
Etwas unterbrach seine Gedanken.
Es waren Töne oder Laute, aber sie waren nicht in seiner Nähe aufgeklungen.
Außerhalb des Friedhofs. Von dorther, wo er Clara Lintock in ihrem Mini zurückgelassen hatte, wehten die leisen Angstschreie zu ihm hoch. Er sollte Clara beschützen, doch er hätte nicht gedacht, dass aus der Theorie so schnell Praxis werden würde…
***
Clara Lintock wusste nicht, ob es eine gute Idee gewesen war, allein im Mini zu warten. Sie wollte sich auch nicht beschweren, denn wer wusste schon, was richtig war und was nicht.
Ihr Freund ging mit zügigen Schritten den Hang zum Friedhof hoch. Es gefiel ihr, dass er sich so bewegte. Es zeigte ihr auch an, dass er sich nicht fürchtete und bereit war, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden.
Allerdings hatte sie auch Angst um ihn. Auch wenn der Schutzengel wieder auftauchen würde, brauchte er sich nicht zu fürchten.
Nicht umsonst besaß er einen solchen Namen. Der würde beschützen und nicht vernichten, aber tief in ihrem Inneren nagten doch Zweifel an dieser Theorie. Es konnte auch sehr leicht alles anders laufen. Wo die Sonne scheint, gibt es auch Schatten, und wo sich das Gute gefunden hat, da lauert auch oft das Böse in der Nähe.
Clara liebte ihren Mini. Sie hatte sich darin immer sehr wohl gefühlt. Jetzt aber kam er ihr auf einmal zu eng vor. Es konnte auch damit zusammenhängen, dass die Luft nicht mehr frisch war. Clara empfand sie schon als recht stickig. Um dies zu ändern, kurbelte sie die Scheibe an der linken Seite herab.
Ja, das war besser.
Kühle Luft wehte ihr entgegen. Auch wenn sie mit diesem weichen Dunst gefüllt war, machte ihr das wenig. Es war besser, als in einer stickigen Sauna zu hocken.
Sie wartete. Sie musste warten. Und das gefiel ihr nicht, obwohl sie es sich selbst zuzuschreiben hatte. Als Warteraum war ihr der Mini zudem zu eng, und so entschloss sie sich, den Wagen zu verlassen.
Da sie nicht mehr auf der normalen Straße parkten und von ihr abgefahren waren, befand sich unter ihren Schuhen das dichte Gras, dessen Halme einen feuchten Film bekommen hatten.
Automatisch drehte sie sich herum, um hoch zum Friedhof zu schauen. Der Dunst glitt über den Hang hinweg, und er kroch auch nach oben, wo er den Friedhof erreichte.
Das große Kreuz wurde längst von ihm umschmeichelt. Aber es war noch zu sehen und in der Nähe auch die Gestalt ihres Freundes.
Sie glaubte sogar zu erkennen, dass er sich umdrehte, um ihr noch mal zuzuwinken.
»Viel Glück«, flüsterte sie. Erst jetzt fühlte sie sich ganz allein.
Sie schaute gegen den Himmel.
Keine Bläue, keine Wolken. Nur der Dunst, in dem die Sonne höchstens zu ahnen war.
Stille kann beruhigend sein. Nicht bei ihr. Sehr schnell merkte sie, dass ihr die Stille auf die Nerven ging. Sie wünschte sich einen Laut herbei. Eine menschliche Stimme oder einfach nur das Zwitschern eines Vogels.
Da war nichts zu hören.
Clara ging um ihren Wagen herum. Sie schaute auch hinab zur Straße. Das graue Band lag leer vor ihr. Die Touristen und Camper würden erst am Wochenende eintreffen. So lange konnte man noch von einer Ruhe vor dem Sturm sprechen.
Für eine Weile schaute sie auf das leere Band der Straße, bis sie sich wieder umdrehte, um in die andere Richtung zu sehen. Johnny war sicherlich noch nicht lange weg, es kam ihr nur so lange vor. Bei diesen Gedanken stieg die Nervosität wieder in ihr hoch.
Wenn doch etwas auf dem Friedhof passierte? Wenn dieser Schutzengel gar keiner war und man sie getäuscht hatte?
Es konnte so vieles zutreffen. Sie wollte es gar nicht mehr wissen und zog sich wieder in den Mini zurück. Das hatte sie vor und hielt bereits eine Hand an der Tür, da erschrak sie zutiefst.
Vor ihr hatte sich etwas bewegt!
Da war jemand!
Aber nicht Johnny!
Ein Tier?
Nein, dazu war die Gestalt zu groß gewesen, die natürlich den Schutz des Dunstes nutzte. Auch wenn sie diese Gestalt nicht hätte beschreiben können, sie war überzeugt, dass es sie gab und jetzt…
Sie war wieder da!
Nein, nicht nur sie allein. Jetzt
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