1375 - Wächterin der Toten
nicht.«
»Doch, doch, er sah aus wie ich.«
Johnny hob die Schultern.
»Etwa nicht?«
»Doch, irgendwo schon. Aber er war nicht das genaue Abbild von dir. Das habe ich auch gesehen.«
»Wer war oder wer ist es dann?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Gut, dann lassen wir das. Wichtig ist nur, dass du den Geist gesehen hast und mir jetzt glaubst.«
Johnny lächelte. »Das habe ich oft schon vor der Begegnung getan, ehrlich.«
Sie gab ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen. »Toll. Das hätte bestimmt kein anderer getan.«
»Ist auch jetzt egal, Clara. Ich möchte nur auf etwas hinaus, dass dich vielleicht stören wird, aber kannst du noch mal dieses Monstrum an der Autotür genauer beschreiben?«
»Es war ein Mann.«
»Ja, okay, und weiter?«
»Er sah nicht mehr so aus. Er war halb verwest. Ich weiß nicht mal, ob er ein Kleidungsstück getragen hat. Aber er hatte eine sehr zerrissene Haut. Sie sah sehr alt aus, und aus den Rissen quoll so ein stinkendes Zeug.«
Johnny bekam jetzt sehr große Ohren. »Du hast von einem stinkenden Zeug gesprochen?«
»Ja. Wie Schleim.«
»Scheiße!«
»He, warum sagst du das?«
»Weil ich einen bestimmten Verdacht habe«, gab er zu.
»Dann ist das also kein Zombie gewesen?«
»Na ja, irgendwo schon. Aber es gibt unter ihnen auch gewisse Abarten. Und diese Gestalt hat mich auf eine ganz bestimmte Richtung hingewiesen.«
»Auf welche denn?«
Johnny überlegte, ob er ihr wirklich die Wahrheit sagen sollte. Er wusste, dass sie wahrscheinlich von Ghouls angegriffen worden war. Von so genannten Leichenfressern.
Ghouls suchen Leichen, von denen sie sich ernährten. Und auf dem Friedhof lagern welche. Zudem war er vergessen und einsam.
Für die Ghouls ein ideales Umfeld.
»Du willst nicht darüber sprechen, wie?«, fragte Clara.
»Ich muss wirklich erst die ganze Wahrheit wissen, um mehr dar über sagen zu können. Bitte, versteh das.«
Nachdem Clara Lintock das Geschehen verdaut hatte und sie auch die Erinnerung nicht mehr unmittelbar drangsalierte, nickte sie, und sie dachte auch wieder klar.
»Akzeptiert, Johnny. Ich frage mich nur, wo du die Wahrheit erfahren willst.«
»Tja, das ist genau die Frage. Ich denke, dass du mir dabei helfen könntest.«
»Wie soll ich das denn machen?«
»Wer kennt sich in Tullich aus? Das bist du, Clara. Du hast mir erzählt, dass du dort groß geworden bist. Demnach müsste dir so ziemlich alles bekannt sein. Ich kann mir sogar vorstellen, dass dieser einsame Friedhof hier seine eigene Geschichte hat. Ich bin zwar noch nicht lange hier, aber ich weiß von einem zweiten Friedhof.«
»Ja, der an der Kirche.«
»Eben.«
Sie nickte vor sich hin. »Meine Großmutter hätte Bescheid gewusst, aber die kann ich nicht mehr fragen. Obwohl ich«, sie legt eine Pause ein und hob die Schultern, »mir auch nicht mehr sicher bin, nachdem, was ich alles heute erlebt habe.«
»Denkst du, dass deine Großmutter mit dir Kontakt aufnehmen könnte?«
»Kann sein.«
»Ja, möglich ist alles.«
Sie stieß Johnny an. »He, du hast gesprochen, als hättest du so was schon mal erlebt.«
»Nicht genau das, aber ähnliche Dinge.«
Bei Clara fing das große Wundern an. »Teufel noch mal, was hast du eigentlich noch nicht erlebt?«
»Das meiste hätte ich mir schenken können.«
»Egal, dass will ich auch nicht wissen. Mir reicht schon, was ich erlebt habe. Aber es wird nicht alles gewesen sein, fürchte ich.« Clara erschauerte wieder. »Nur würde mich auch interessieren, welches Geheimnis dieser alte Friedhof wirklich verbirgt und wer uns darüber Auskunft geben kann.«
»Abgesehen von deiner Großmutter, wer kennt sich im Ort am besten aus? Ich meine mit dessen Vergangenheit.«
»Der Pfarrer.«
»He, das ist es doch.« Johnny klatschte in die Hände.
»Ich weiß nicht so recht.«
»Was weißt du nicht?«
»Nun ja, der Pfarrer und ich sind nicht immer die besten Freunde gewesen. Das lag auch an meiner Großmutter. Sie hat sich oft mit ihm gestritten.«
»Warum?«
»Kann ich dir nicht genau sagen. Es ging da zumeist um theologische Fragen.«
»War deine Großmutter gläubig?«
»Ja. Nur auf ein andere Art und Weise. Nicht so wie die Kirche es gern gehabt hätte. Oder der Pfarrer. Da hat es schon Diskussionen zwischen ihnen gegeben. Als die Beerdigung stattfand, hat er sich erst geweigert und schließlich doch zugestimmt, nachdem meine Eltern mit ihm geredet haben. Kann auch sein, dass sie was gespendet haben. So genau war ich da
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