1384 - Die Blut-Ruine
jemand bei ihm am Schalter gedreht haben, dass er dies einfach als Realität hinnahm.
Er schaute schaudernd zu, wie ihm Serena die Hand entgegenstreckte, um ihn zu locken. Nicht nur mit Gesten, jetzt auch mit Worten.
»Willst du nicht zu mir kommen, Kenny? Bitte, ich warte auf dich. Du hast mich doch gewollt – oder nicht?«
»Ja, schon.«
»Dann komm«, lockte sie.
Erst jetzt fiel ihm auf, dass er mit der Lampe noch immer in das Gesicht der Person leuchtete. Ein normaler Mensch hätte gezwinkert oder die Augen geschlossen, Serena aber machte die Helligkeit nichts aus, obwohl sie ein Geschöpf der Nacht war. Jetzt bemerkte er auch, dass sie nicht atmete.
»Wenn du nicht kommen willst, dann muss ich es tun. Ich habe so lange auf dich gewartet, auf etwas Frisches, obwohl ich es gar nicht mehr wollte, doch nun hat sich die Lage verändert. Die Gier ist wieder über mich gekommen, und du bist noch jung, Kenny. Für mich gerade jung genug…«
Ken Kilmer wusste, dass es jetzt ernst wurde. Er musste sich in den folgenden Sekunden entscheiden. Es gab nur eine Chance, eine zweite würde er nicht bekommen. Vor allen Dingen musste er schneller und stärker sein – aber gegen einen blutgierigen Vampir?
In seinem Magen entstand ein Klumpen. Es war alles neu für ihn – und konnte auch tödlich werden. So etwas hatte er noch nie erlebt, das würde er auch nicht mehr erleben und…
Seine Gedanken brachen ab, als Serena einen Schritt auf ihn zuging.
Da schrie er plötzlich auf. Er musste es tun. Nur so konnte er seinen Frust besiegen.
Die Lage blieb bestehen. Nichts hatte sich verändert. Nach wie vor musste er an der Person vorbei, um zur Treppe zu gelangen, denn es gab nur diesen einen Weg.
Er startete. Serena stand ihm im Weg wie eine Mauer.
Beide prallten zusammen. Ken Kilmer wollte sie nach hinten und die Treppe hinabstoßen, doch so leicht machte sie es ihm nicht.
Zwar kippte Serena nach hinten, zugleich aber klammerte sie sich an Ken fest. Damit hatte er nicht gerechnet.
Es kam, wie es kommen musste. Serena hielt sich mit eiserner Kraft fest, und Ken Kilmer merkte, dass er und Serena fielen.
Er sah nur noch eine Chance, um sich aus der Umklammerung zu lösen. In seiner Verzweiflung schlug er mit der Taschenlampe zu, traf auch den Kopf, hörte sogar das dumpfe Geräusch des Aufpralls, nur erzielte er keinen Erfolg damit. Die Hände hielten ihn weiterhin fest, und ein scharfes Lachen erreichte sein Ohr.
Beide fielen der obersten Stufe entgegen und traten auf die Kante.
Was danach geschah, bekam Ken Kilmer so gut wie nicht mit. Er segelte durch die Luft und hatte dabei den Eindruck, ins Nichts zu schweben.
Zugleich trat und prallte er in einem bestimmten Wechsel immer wieder auf, denn er und Serena rollten ineinander verschlungen die Stufen der Wendeltreppe hinunter, wobei die Blutsaugerin es besser hatte, denn sie verspürte keine Schmerzen, wenn sie gegen die Stufen und deren Kanten schlug.
Trotz des Griffs versuchte Ken, den Kopf einzuziehen. Trotzdem musste er einige Schläge hinnehmen. Nicht ausschließlich gegen den Kopf, auch der Körper bekam genug mit, der Rücken, die Schultern, die Ellenbogen und auch die Beine.
Noch immer ineinander verkrallt tickten sie auch über die letzte Stufe hinweg. Sie erreichten den flachen Grund in der Nähe des Ausgangs.
Die blasse Blutsaugerin befreite sich von ihm. Mit einer heftigen Seitwärtsbewegung kam sie wieder auf die Füße und wollte zunächst Distanz gewinnen.
Aus einem Reflex heraus trat Kilmer zu. Da die Person in seiner Nähe stand, hatte er Glück und erwischte ihre Beine. Serena hatte damit nicht gerechnet. Sie knickte ein und fiel erneut zu Boden.
Die geringe Zeitspanne nutzte Kilmer aus. Er wusste, dass er sich beim Fall über die Treppe nichts gebrochen hatte, aber er hatte einiges mitbekommen, denn so einfach war das Aufstehen nicht. Es gab wohl keine Stelle an seinem Körper, die ihm nicht schmerzte, und während der Bewegung hatte er das Gefühl, zerrissen zu werden.
Der Rücken, die Beine, die Schultern, all das hatte auf dem Weg nach unten gelitten.
Aber es gab auch den Überlebenswillen in ihm, und der diktierte sein nächstes Handeln.
Als er sah, dass Serena wieder auf die Füße kam, war er bereits im Begriff, nach hinten zu gehen, wobei er beim Auftreten immer wieder einsackte, humpelte und dabei das linke Bein nachzog.
Er hielt sich tapfer. Er biss die Zähne zusammen. Er musste sein Leben retten. Das bedeutete nichts anderes
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