1384 - Die Blut-Ruine
dass ich nicht scharf auf ein Gespräch war. Sie ließ mich in Ruhe und machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem.
Sie trug ihre Standard-Kleidung. Das schwarze, dünne und sehr geschmeidige Leder, das aus Jacke und Hose bestand. Ein roter Bustier presste ihre Brüste so hoch, dass beinahe die Warzen zu sehen waren. Wer sie nicht kannte und nicht wusste, was tatsächlich hinter ihr steckte, der hätte sie leicht für eine Domina halten können, die auf Lack und Leder stand.
So schaffte sie es auch immer wieder, andere Menschen in die Falle zu locken. Sex sells, sagt man. Das war im übertragenden Sinne auch auf sie anwendbar.
Es gibt Kinder, die mit ihren Eltern in Urlaub fahren und oft die gleiche nervtönende Frage stellen. So ähnlich kam ich mir vor, als ich fragte: »Wie weit ist es noch?«
»Keine Ahnung.«
»Aber wir sind richtig – oder?«
Justine nicke. »Das denke ich schon. Wenn wir da sind, sage ich dir Bescheid. Keine Frage.«
Und eine weitere Frage stellte ich auch nicht. Nur ärgerte ich mich ein wenig darüber, dass ich mich ausgerechnet auf sie verlassen musste. Bei meinen Freunden hätte ich damit keine Probleme gehabt, aber bei einer Blutsaugerin war das anders, besonders wenn ich daran dachte, dass wir so verschieden wie Feuer und Wasser waren. Eigentlich durfte das gar nicht wahr sein. Aber ich konnte es nicht ändern.
Okay, es war noch gar nicht so lange her, da hatte Justine meiner Freundin Jane Collins das Leben gerettet. Da hatte Jane im Krankenhaus gelegen, nachdem man sie niedergestochen hatte. Die Doppelgängerin der Cynthia Black hatte noch mal versucht, Jane zu töten, doch Justine war dazwischengegangen und hatte die Detektivin gerettet. [4]
Eine Sache, die ich der Cavallo irgendwie schon anrechnete…
Wir durchfuhren eine flache Landschaft. Hin und wieder glühten einige Lichter in der Dunkelheit ringsum. Manchmal nur zwei, drei in der Einsamkeit, dann wieder sahen wir eine Lichtglocke über das flache Land hinwegschweben.
Ein Licht aber blieb. Es stand hoch über uns. Der Vollmond zeigte sich immer dann, wenn der Wind es geschafft hatte, Lücken in die Wolken zu reißen.
Ein Kloster oder Unterschlupf für Hexen oder Vampire! Genau darauf musste ich mich einstellen. Aber ich hatte nie davon gehört, dass es hier nahe bei London so etwas gegeben hatte. Allerdings konnte ich nicht alles wissen und ließ mich deshalb gern überraschen.
Mit der Straße hatte ich keine Probleme. Es gab nur wenige Kurven. Zumeist zog sie sich schnurgerade durch das Gelände und zerschnitt es wie eine breite Schwertklinge.
Justine Cavallo gab ihre bequeme Haltung auf. Sie setzte sich aufrecht hin. Ich merkte die Spannung in ihr. Auf der Stirn hatte sich eine Falte gebildet, und der Blick war starr nach vorn gerichtet. Wie bei einer Person, die etwas Bestimmtes suchte.
»Es ist gleich soweit«, sagte sie leise. »Fahr mal etwas langsamer. Ich muss es spüren.«
»Wie du willst!«
Ich ging mit der Geschwindigkeit runter, aber ich schaltete jetzt das Fernlicht ein, und die Fahrbahn lag jetzt für ein weites Stück strahlend hell vor uns.
»Ja, ja, wir sind gleich am Ziel«, flüsterte Justine. »Ich spüre es schon.«
»Was spürst du?«
Sie lachte leise. »Das Kribbeln, das in mir steckt. Es ist eine gewisse Aufregung. Eine Spannung. Hier ist eine Vergangenheit lebendig, die nie ganz verschwinden konnte.«
Mir war es in diesen Augenblicken egal. Ich wollte nur so schnell wie möglich herausfinden, was diese Unperson, die mir einen Besuch abgestattet hatte, wirklich wollte.
Wir sahen sie nicht, dafür entdeckten wir etwas anderes. Im Licht erschien plötzlich ein recht großes Hindernis, das seinen Platz auf der Straße gefunden hatte. Zunächst war es schwer herauszufinden, was dieses parkende Hindernis war. Sekunden später sah ich es deutlicher.
Es handelte sich um ein Auto. Einen Kastenwagen. Ein mittlerer Transporter mit geschlossener Ladefläche, und ich wunderte mich schon, dass er hier um diese Zeit so einsam parkte.
Noch mehr wunderte ich mich über die Gestalt, die plötzlich im Licht auftauchte, etwas taumelnd auf die Mitte der Straße zuging und mit schwerfälligen Bewegungen winkte.
»Ich denke, das hat etwas zu bedeuten, Partner, und es hat auch irgendwie mit uns zu tun.«
»Bestimmt.«
Ich wollte den Mann nicht zu sehr blenden und stellte deshalb das Fernlicht ab. Mit normaler Beleuchtung fuhren wie weiter, denn sie reichte hier völlig aus.
Der Mann bewegte sich
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