1384 - Die Blut-Ruine
sodass dieser sein Gleichwicht verlor und zu Boden kippte. Kilmer hatte nichts, woran er sich festhalten konnte, und fiel nach vorn. In der letzten Sekunde konnte er seinen Aufprall noch mit beiden Händen abfangen, ging allerdings zu Boden und blieb vorerst dort liegen.
Es war nicht nachvollziehbar. Er konnte es nicht fassen. Er hatte die wunderschöne Frau auf dem Stuhl sitzen gesehen. Er hatte sich von ihrem Aussehen und ihrer Anmut einfangen lassen, und auch sie war ihm gewogen gewesen, wenn er sich recht erinnerte.
Und dann das hier!
Ken spürte den Druck des Stuhls unter seinem Körper. Das riss ihn wieder zurück in die Realität.
Noch traute er sich nicht, sich zu erheben. Um ihn herum war es still. Er hörte auch nichts von Serena, doch er sah sich wieder vor dieser wunderschönen jungen Frau stehen.
Der Druck der Sitzkante war für ihn nicht länger zu ertragen, deshalb stemmte er sich in die Höhe. Als er stand, spürte er eine Gänsehaut auf seinem Rücken. Er glaubte plötzlich, etwas Schreckliches sehen zu müssen, wenn er sich jetzt umdrehte, darum traute er es sich nicht.
»Serena…?«
Ken Kilmer erhielt auf seine leise Frage keine Antwort.
Noch einmal sprach er den Namen aus. Diesmal allerdings lauter.
Und als er wiederum keine Antwort erhielt, drehte er sich doch langsam um.
Nein, sie hatte ihn nicht verlassen. Sie stand jetzt nahe der Treppe, sodass das Licht der Lampe sie nicht mehr streifte und die Frau mehr wie eine Schattenfigur wirkte, die jemand in die graue Dunkelheit gestellt hatte.
Kilmer fing an zu frieren. Es war eine Kälte, die von innen kam und nicht von außen. Sie erfasste seinen gesamten Körper. Nur mit großer Mühe unterdrückte er ein Zittern.
»Warum sagst du nichts, verdammt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Willst du mich nicht mehr? Wenn ja, dann kannst du es mir ruhig sagen. Man überlegt sich ja schnell etwas anderes. Das kenne ich, ehrlich.«
Auch jetzt gab Serena ihm keine Antwort.
Tief in seinem Innern dachte er an Flucht. Ihm war plötzlich alles unheimlich und auch fremd geworden. Der Zauber der schnellen Verliebtheit war verflogen und hatten dem Grauen Platz geschaffen.
Wenn er floh, dann musste er an Serena vorbei. Plötzlich stellte er sich die Frage, ob sie es zulassen würden.
»Serena…?«
Sie musste ihn hören. Aber sie gab ihm keine Antwort.
Ihm fiel die Taschenlampe ein, die er eingesteckt hatte. Er ließ seine Hand in die Tasche gleiten und zog sie hervor. Noch traute er sich nicht, die Lampe anzuheben, da wartete er noch wenige Sekunden, dann aber schaltete er sie ein und strahlte gegen die Gestalt der dunkelhaarigen Frau.
Das weiße Licht traf deren Gesicht.
Nie zuvor hatte Ken es so überdeutlich gesehen. Um den Kopf herum lag die Dunkelheit, doch das Gesicht wurde aus ihr hervorgerissen, als wäre es ein Bild ohne Rahmen.
Er sah die Stirn, die Wangen, die Nase, die dunklen Augen, die nicht mal zwinkerten, und er sah noch etwas, das ihn im ersten Augenblick irritierte.
Es war der Mund!
Er hatte sich verändert. Die Lippen lagen nicht mehr aufeinander.
Sie gaben einen Spalt frei, und an den Rändern entdeckte er einige Krusten, die eine rote bis braune Farbe aufwiesen.
Das war nicht alles. Er sah noch mehr, denn der Spalt zwischen den Lippen war breit genug, um die Reihe der Zähne durchschimmern zu lassen.
Zwei davon waren unnatürlich lang und spitz, und die wuchsen aus dem Oberkiefer hervor.
Vampirzähne!
***
O Gott!
Es war ein gedanklicher Schrei, der Ken Kilmers Kopf durchtoste.
Er sah das Bild und konnte es kaum fassen. Die schöne Frau hatte sich tatsächlich in eine Gestalt des Schreckens verwandelt, obwohl sie nichts tat und einfach nur auf dem Fleck stand.
Aber da war der halb geöffnete Mund, und da waren die beiden ungewöhnlichen Zähne, die aus dem Oberkiefer ragten, und schon beim ersten Hinschauen war dem Mann klar, dass diese beiden spitzen Hauer kein künstliches Gebiss waren.
Sie waren echt!
Er schluckte, denn er wusste genau, was das bedeutete. Egal, ob Frau oder Mann, er hatte es hier mit einem Wesen zu tun, das scharf auf sein Blut war. Serena würde ihm die Zähne in den Hals schlagen und ihn bis auf den letzten Tropfen aussaugen!
Er selbst wunderte sich über diese Gedanken. Sie entstanden so klar in seinem Kopf, dass er sich über sich selbst wunderte. Er glaubte plötzlich etwas, das er nie für möglich gehalten hätte, und nun nahm er es als gegeben hin.
Das war doch nicht normal. Da musste
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