1394 - Die Rachehexe
Ausweis entgegenhielt und er darauf schaute, als wäre es ein völlig fremdes Dokument. Er nahm ihn in die Hand und fragte dann mit leiser Stimme:
»Scotland Yard?«
»Exakt.«
»Na denn.« Er gab mir das Dokument zurück und wusste auch nicht, was er noch hinzufügen sollte. Seine nächste Frage hörte sich schon leicht verlegen an. »Sind Sie dienstlich hier?«
»Einen Urlaub verbringen meine Kollegin und ich hier nicht. Das versichere ich Ihnen.«
»Klar, ich habe irgendwie auch nichts anderes erwartet. Dann werden Sie bestimmt alles regeln.«
»Sie können sich darauf verlassen, Doktor.«
»Gut, dann werde ich mich jetzt um meinen Patienten kümmern. Ich denke, das ist wichtiger.«
»Teilen Sie ihm noch bitte mit, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht. Wir haben die Dinge in Griff, auch wenn es für ihn nicht so aussehen mag.«
Der Arzt ging. Er nickte zwar, doch ich glaubte nicht, dass er alles begriffen hatte. Das war auch nicht nötig.
Aber wie sollte ich mich verhalten? Darüber sprach ich mit Jane Collins und deutete gegen die Decke. »Dort oben liegt ein Toter. Ich gehe davon aus, dass dieser Mann ebenfalls etwas mit den Ereignissen am heuten Abend zu tun hat. Ich denke, dass er im Komitee mitmischte und dort einigen Einfluss besaß. So wie Alan Quint.«
»Dann versucht die andere Seite offenbar, die wichtigen Leute hier in Preston auszuschalten.«
»Und was ist mit den Besuchern, die extra hergekommen sind?«
»Auf die wartet man in der Stadthalle. Man lässt sie ein, lässt die Feier beginnen und schlägt zu.«
»Du denkst an die große Abrechnung.«
»Natürlich. Und ich frage mich, John, wie du sie verhindern willst?«
»Wir werden uns unter die Besucher mischen. Wie ich Assunga kenne und wie sie uns kennt, geht sie sowieso davon aus, dass wir dort sind. Sie wird uns dann auch beweisen wollen, wer stärker ist.«
»Das kann alles stimmen. Aber ich würde gern ein Auge auf diese Cornetta Schibone halten. Leider weiß ich nicht, wo sie sich aufhält. Sie scheint mir am Schlimmsten zu sein, und wie ich mitgekriegt habe, verdankt sie Assunga ihr Leben, und gerade solche Menschen sind bedingungslos treu.«
»Die Idee ist nicht schlecht, nur leider weißt du nicht, wo du nach Cornetta Schibone suchen sollst. Außerdem steht sie unter Assungas Schutz. Die Schattenhexe kann sie von einem Ort zum anderen transportieren, ohne dass wir es merken. Das ist nun mal leider so.«
Einen direkten Plan konnten wir nicht fassen. Dass es irgendwie weitergehen musste, wussten wir aber auch. Nur nicht hier. Deshalb verließen wir den Turm…
***
Sie standen dort, wo der Wind freie Bahn hatte und ihre Haare durchwühlte. Die Wellen wuchteten hier nicht gegen eine Kaimauer, sondern wurden von flachen Natursteinen aufgehalten, die den Strand bildeten. Weiter östlich hatte man eine kleine Badebucht errichtet – für Menschen, die sich im Sommer den Wellen hingeben wollten. Dort war heller und feiner Sand aufgeschüttet.
Da, wo sich Cornetta Schibone und Assunga aufhielten, zeigte der Strand das Grau der Steine und weiter oben karges Dünengras, das sich in den Erdboden festgeklammert hatte.
Cornetta hatte wieder erlebt, wie es war, durch die Dimensionen zu reisen. Sie brauchte nur nahe genug an Assunga heranzutreten, dass diese den Mantel um sie schlagen konnte. Einen Herzschlag später befanden sie sich dann an einem anderen Ort, wie jetzt an diesem Teil des Strandes.
Die Schattenhexe war sehr nachdenklich geworden. Das Gesicht hatte sich verfinstert, der Wind spielte mit dem Mantelstoff und warf immer wieder neue Wellen.
Cornetta Schibone hütete sich davor, die Schattenhexe anzusprechen. Instinktiv spürte sie, dass sie Assunga stören würde. So wollte sie warten, bis Assunga selbst das Wort ergriff, was nicht mehr lange dauerte.
»Die Vorzeichen haben sich geändert«, erklärte sie.
»Sollte uns das stören?«
Scharf fuhr Assunga herum, sodass Cornetta in die gelb-grünen Augen schaute. »Ja, das sollte uns stören. Man darf diesen Sinclair nicht unterschätzen, und auch Jane Collins nicht.«
»Mit ihr hast du doch leichtes Spiel gehabt.«
»In diesem Fall. Aber beide halten zusammen. Sie werden nicht aufgeben, und deshalb werden sie auch versuchen, die Feier zu stören. So sehen die Dinge aus.«
»Können sie das denn?«
»O ja«, erwiderte die Schattenhexe. »Ich kenne sie verdammt gut.«
»Aber wir sind nicht allein. Du hast noch andere deiner Freundinnen hergeholt.«
»Davon
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