1396 - Das Blut der Sinclairs
Lacher, dann versuchte sie, aufzustehen.
Es klappte, auch wenn der Untergrund etwas abfiel. Leicht schwankend blieb sie stehen und schaute in die Richtung, in die der Zug verschwunden war.
Er war nicht mehr zu sehen. Die Nacht hatte ihn verschluckt. Da waren keine Lichter mehr zu erblicken, die einen letzten Abschiedsgruß geschickt hätten. So befand sich Jane mutterseelenallein irgendwo zwischen Leeds und Newcastle und musste sich zurechtfinden.
Es gab nur eine Möglichkeit für sie. Schusters Rappen waren gefragt. Laufen. Zusehen, dass sie in dieser öden Gegend eine Straße erreichte und dort einen Wagen anhalten konnte. Nur besser wäre es gewesen, ein Dorf zu entdecken, um dort Hilfe zu finden. So sehr sie sich umschaute, die Chance war fast nicht vorhanden, denn in ihrer Sichtweite schimmerten keine Lichter.
Also blieb nur der Weg quer durch die Landschaft, um auf eine Begegnung zu hoffen.
Und John?
Sie dachte nicht unbedingt pessimistisch an ihn, denn auch er hatten abspringen sollen, zusammen mit dem Trio. Die mussten hier irgendwo einen Wagen stehen haben, mit dem es dann weitergegangen wäre.
Wenn irgendwo ein Fluchtwagen stand und sie abgeholt wurden, musste es auch eine Straße in der Nähe geben, und die würde irgendwo hinführen. Vielleicht zu einem Ziel, das von dem Trio vorher festgelegt worden war, zu einem Versteck in der Einsamkeit.
Jane tastete sich ab. Die kleine Leuchte trug sie noch bei sich.
Auch der Schmuck war vorhanden. Ein kleines Goldkreuz, das an einer Kette um ihren Hals hing. Leider hatte sie ihre Beretta nicht mehr. Die hatte man ihr zuerst abgenommen.
Und das Handy?
Das war noch da, und Jane lachte auf, als sie es fühlte. Sie schloss die Finger darum und holte es wie ein wertvolles Goldstück aus der Tasche hervor.
Das Lächeln auf ihren Lippen zerbrach, wie auch das Handy zerbrochen war. Es hatte die harten Schläge nicht überstanden. Die gesamte Tastatur war eingedrückt worden. Das Glas des Displays gab es auch nicht mehr. Sie konnte das Ding vergessen.
Wie früher!, dachte sie. Da habe ich mich auch ohne ein Telefon durchschlagen müssen!
Jane Collins ging davon aus, dass sie es auch schaffte. Sie war tough genug. Das Leben hatte sie auf eine gewisse Art und Weise geschmiedet.
In den letzten Minuten hatte Jane einen Schweißausbruch erlebt.
Der war jetzt verschwunden. Sie spürte wieder die unangenehme Kälte, die der Wind mit sich brachte und die gegen ihr Gesicht drückte. Davon ließ sich Jane ebenfalls nicht stören. Ihr Plan stand fest, und sie würde ihn in die Tat umsetzen.
Zu Fuß laufen. Immer in eine bestimmte Richtung. Sie wusste auch in welche. Richtung Süden. Immer an den Gleisen entlang.
Vielleicht war es ihr auch möglich, die Stelle zu entdecken, an der John Sinclair aus dem Zug gesprungen war.
Hochhackige Schuhe wären jetzt fatal gewesen. Die trug Jane zum Glück nicht. Die Stiefel, die ihr bis hoch über die Knöchel reichten, hatten flache Absätze. Darauf würde sie laufen können und hineingehen in eine ihr unbekannte Welt…
***
Mein letzter Tritt war ins Leere gegangen!
Zugleich hatte mich der Sog erfasst. Der riss mich nach vorn, der rauschte in meinen Ohren und sorgte dafür, dass alle anderen Geräusche hinter mir zurückblieben.
Für einen Moment hatte ich den Eindruck, als wollte mich der fahrende Zug wieder zurückholen, um mich an seiner Außenseite zu zerschmettern, aber das trat nicht ein, denn der letzte Tritt, den man mir versetzt hatte, war hart genug gewesen, um mich wuchtig nach vorn durch die offene Tür zu schleudern und hinein ins Freie.
Ich fiel!
Und ich machte mich unwillkürlich klein. Rollte mich so gut es ging zusammen, brachte den Kopf nach vorn und schützte ihn durch meine Hände und Arme. Es hätte mich auch ohne diese Bewegung nach vorn gestoßen, das stand fest, und so hoffte ich nur, den Fall abmildern zu können, wenn ich dann auf dem Boden aufschlug.
Würde er knochenhart sein oder einigermaßen erträglich?
Ich hoffte, das die letzte Möglichkeit zutraf und wunderte mich gleichzeitig darüber, dass mir so viele Gedanken durch den Kopf strömten.
Ich schlug auf!
Den Untergrund hatte ich zuvor nicht sehen können, denn die Dunkelheit machte alles gleich. Kopf, Schultern, der Rücken – alles wurde in Mitleidenschaft gezogen, und bereits nach dem ersten Überschlag merkte ich, dass der Boden nicht plan war.
Es ging bergab!
Ich hatte mich nicht gestreckt und schützte so gut wie möglich
Weitere Kostenlose Bücher