1396 - Das Blut der Sinclairs
so klein wie möglich machte. Erwischt wurde sie nicht, denn sie befand sich zum Glück an der richtigen Seite.
Das musste nicht so bleiben, wenn die Typen die Gegend durchsuchten.
Es war Jorge, der davon sprach, einen kleinen Rundgang zu machen.
»Aber gib Acht!«
»Keine Sorge.«
Jane hielt sich weiterhin zurück. Sie wagte auch nicht, sich zu bewegen und bis zur Kühlerhaube des Vans zu gehen. Erst mal lauern und dann das Richtige tun.
Jorge machte sich auf den Weg. Jane fühlte sich plötzlich erleichtert, weil er nicht in ihre Richtung ging, sondern nach vorn lief und seinen Lichtstrahl dabei ins Leere schickte, obwohl er die Hand von einer Seite zur anderen schwenkte.
Jane atmete langsam aus. Es lief gut für sie. Zudem war sie kein heuriger Hase. Sie wartete noch ab, bis der Typ einige Schritte weiter gegangen war, dann griff sie ein.
Um die Rückseite des Wagens herum bewegte sie sich geduckt und gelangte in den Rücken von Abel, der sie nicht sehen konnte. Er stand breitbeinig auf der Stelle. In der linken Hand hielt er die Taschenlampe, deren Licht den Boden berührte. In der rechten lag die Waffe.
Dass sich die Gefahr in seinem Rücken aufbauen könnte, daran dachte er nicht im Traum. Er war auf Jorge fixiert, und Jane konnte nur hoffen, dass es so blieb.
Sie setzte behutsam einen Schritt vor den anderen. Nur kein verräterisches Geräusch verursachen. Auch keine zu schnelle Bewegung. Kein Schaben der Kleidung. Abwarten. Eiskalt sein und genau im richtigen Moment zuschlagen.
Jorge meldete sich wieder. Er drehte sich dabei halb zur Seite und zeigte sein Profil.
»Ich denke, da ist nichts.«
»Und die Lichter?«
»Keine Ahnung.«
»Du gibst zu schnell auf, Jorge.«
»Die Lichter können auch eine andere Bedeutung gehabt haben.«
»Nein, verdammt. Sie waren plötzlich weg, und wir haben sie nicht mehr gesehen. Der Wagen ist nicht weitergefahren. Er muss irgendwo dort vor dir stehen.«
»Da gehe ich nicht hin.«
»Dann such noch woanders!«
Jorge überlegte, und Jane Collins schöpfte bereits Hoffnung. Sie drückte sich selbst die Daumen, dass Jorge abrückte, und wieder hatte sie Glück, denn er rief: »Okay, ich schaue mich noch mal kurz hier um. Ansonsten warten wir an der Kirche.«
»Die habe ich unter Kontrolle. In sie kommt niemand rein. Und einen zweiten Eingang gibt es nicht.«
Ungefähr zwei Körperlängen befand sich Jane von Abel entfernt, der noch immer nichts bemerkt hatte. Sie hoffte, dass er sich nicht umdrehen würde, denn was sie vorhatte, musste blitzschnell gehen.
Jorge ging inzwischen weiter. Um ihn brauchte sich Jane nicht zu kümmern. Hätte sie ihre Beretta noch gehabt, dann hätte sie damit zugeschlagen, doch so musste sie sich auf ihre Handkante verlassen.
Was diese Kampftechnik anging, so hatte ihr Suko einiges beigebracht, und Jane hoffte auf einen Erfolg.
Der erste Schritt…
Es klappte. Sie stieß gegen keinen Stein, und sie trat auch nicht in eine Pfütze, sodass sie das Klatschen des Wassers hätte verraten können. Abel steckte jetzt die Lampe in seine Tasche. Aus der anderen holte er etwas hervor. Jane sah nicht, was es war. Ein kleiner Gegenstand nur, der in der Hand verschwand, um kurze Zeit später seinen Weg in Abels Mund zu finden.
Er schluckte eine Tablette, drückte dabei den Kopf zurück, und Jane, die bereits ausgeholt hatte, zögerte, weil ihr plötzlich das Ziel fehlte.
So musste sie warten, bis der Kopf wieder die normale Position eingenommen hatte, damit der Nacken frei lag.
Sie holte aus.
Der letzte Schritt nach vorn…
Dann schlug sie zu!
***
Ich stand auf!
Das musste ich einfach, denn ich konnte nicht mehr sitzen bleiben, weil ich den Eindruck hatte, auf einer glühenden Bank zu hocken. Ich ging vor dem Altar auf und ab und sah, dass sich Lucy nicht erhob. Sie behielt ihren Platz bei.
Sie? Meine Schwester? Nein, meine Halbschwester. Das war unglaublich, schon Wahnsinn. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das schlug dem Fass den Boden aus. Das ließ mich fast rotieren, und ich hatte das Gefühl, dass nicht nur ich mich bewegte, sondern auch die Wände, die Decke und der Fußboden.
»He, was ist los, John?«
Ich antwortete ihr nicht. Die Frage empfand ich als den reinen Hohn. Ja, ich war überrascht, aber ich fühlte mich auch angeschlagen. So ähnlich wie ein Boxer, der einen schweren Treffer erhalten hatte. Ich war nicht in der Lage, eine richtige Antwort zu geben. Aus meinem Mund drang nur ein Stöhnen, als ich mich umdrehte,
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