1396 - Das Blut der Sinclairs
habe.«
»Sondern?«
»Ich nannte mich Lucy Newman.« Sie lachte und strich durch ihr Haar. »Damit bin ich gut zurechtgekommen. In den ersten Jahren habe ich alles vergessen oder verdrängt. Später bohrte es in mir. Da wollte ich mehr über meine Herkunft wissen. Ich habe mich noch mal mit dem Heim in Verbindung gesetzt, fand auch die alte Leiterin, die sich an mich noch erinnern konnte, und gemeinsam rollten wir meinen Fall auf. Später erfuhr ich dann, wer mein Vater wirklich war und dass er einen Sohn gezeugt hat, der nun vor mir sitzt.«
Was ich in den letzten Minuten erfahren hatte, waren mehrere Tiefschläge hintereinander gewesen. Ich hatte mich um die Vergangenheit meines Vaters nie gekümmert. Warum auch? Meine Eltern hatte ich immer als das ideale Ehepaar angesehen, und nun passierte so etwas, das mir einfach nicht in den Kopf wollte. Das war verrückt, das hatte mit meiner Realität nichts mehr zu tun, und da musste ich erst mal nach Luft schnappen, um mich zu beruhigen.
Mein Vater hatte ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt. Gut, so etwas kommt in den besten Familien vor, mich machte es nur so betroffen, dass es mein Vater gewesen war. Denn jetzt war ich persönlich involviert. An dieser Tatsache würde ich noch lange zu knacken haben, das stand für mich fest.
Ich dachte auch an meine Mutter. Verdammt noch mal, hatte sie davon gewusst oder nicht? Sie hatte es nicht verdient, so hintergangen zu werden. Sie war eine tolle Frau gewesen, und ich hatte ein Spitzenverhältnis zu ihr gehabt.
Aber jetzt?
Ich hätte mit dem Hammer reinschlagen können und musste mich zwingen, keine Hassgefühle gegen meinen Vater hochkommen zu lassen, denn so etwas trübt einfach den Blick.
Ich hätte mir die Haare raufen können, aber ich ließ es bleiben.
Stattdessen fragte ich: »Hattest du denn in der Zwischenzeit Kontakt mit unserem Vater?«
»Ja, das hatte ich immer wieder mal. Kurze Anrufe, ob es ihm gut geht und so weiter.«
»Und du bist auch über die Familiengeschichte informiert, nehme ich an.«
»Natürlich!«
Die aus einem Wort bestehende Antwort brachte wieder mein Blut in Wallung. Ich fragte mich plötzlich, ob auch alles der Wahrheit entsprach und ich hier nicht angelogen wurde, aber der Blick dieser klaren Augen sagte mir, dass Lucy die Wahrheit sprach.
Warum auch hätte sie das alles erfinden sollen.
Über ihren genauen Lebensweg wollte ich keinen Bescheid wissen, denn mir ging es um etwas anderes. Ich wollte erfahren, wie sie zu den Illuminati gekommen war. »Ich weiß ja, zu welcher Gruppe du dich zählst. Hat mein alter Herr dabei auch mitgeholfen?«
Sie runzelte die Stirn. Ihre Lippen zuckten, aber es wurde kein normales Lächeln. »Was glaubst du denn?«
»Ich könnte es mir vorstellen.«
»Dann liegst du richtig. Dein Vater wusste Bescheid.«
»Weil er selbst dazugehörte?«
»Ja. Er hat mir auch einen Job besorgt. Ich arbeitete als Sekretärin eines Bankdirektors, der ebenfalls zu dem illustren Kreis zählte. Da er Vertrauen zu mir fasste und auch wusste, welche Reputation ich hatte, gehörte ich irgendwann dazu. Nicht zum inneren Zirkel, das ist nichts für Frauen, ich habe mich einzig und allein mit administrativen Aufgaben beschäftigt. Habe Briefe geschrieben und Hotels für Treffen oder Seminare ausgesucht. Ich fühlte mich in diesem Job sehr wohl und bekam auch das ein oder andere mit.«
»Zum Bespiel?«
»Dass wohl einiges nicht so gelaufen ist, wie man uns von offizieller Seite wahrmachen will.«
»Genauer.«
»Ich denke an den Heiligen Gral.«
»Ah ja, und ihn sucht ihr.«
Lucy legte den Kopf schief. »Wer sucht ihn nicht?«
Da musste ich ihr zustimmen. Die Suche nach dem Heiligen Gral war eine Sache, die über Jahrhunderte lief. Nicht zu vergleichen mit dem Dunklen Gral, den ich gefunden hatte, um ihn nach Avalon zu bringen, wo er sich jetzt befand.
Der Heilige Gral beschäftigte noch heute Mythologen und Wissenschaftler. Es wurden Verstecke gesucht, es wurde nach Hinweisen geforscht, und es tauchte in seinem Zusammenhang immer wieder ein Name auf: der der Sünderin Maria Magdalena.
Für mich war es damals eine lange Suche gewesen, bis ich ihre Gebeine fand. Ich hatte es geschafft, und ihre sterblichen Überreste befanden sich jetzt in der Obhut meiner Templer-Freunde. Sie hatte über den Heiligen Gral nichts sagen können, in dem das Blut des Erlösers angeblich aufgefangen sein sollte. Er und die Lanze gehörten irgendwie zusammen und sollten auf sehr
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