1396 - Das Blut der Sinclairs
Hinterrad des Wagens.
Eine kurze Drehung, noch in der Hocke, auch wenn ihr zahlreiche Stellen am Körper schmerzten, der Schritt nach vorn, und sie hatte das Heck des Fahrzeugs erreicht.
Tief durchatmen. Ruhe bewahren. Jane schluckte. Irgendein Gefühl drückte leicht die Kehle zusammen, und wieder atmete sie nur durch die Nase, und das so leise wie möglich.
Jane lauschte in die Nacht, obwohl sie sich gern woanders hin gewünscht hätte. Nichts war zu hören. Nach einer Weile drehte sie den Kopf und schaute zur Kirche hin. Sie sah den Eingang jetzt näher vor sich, was ihr auch nichts nutzte. Die Strecke war noch immer zu weit, und sie wäre zusätzlich noch in einen schwachen Lichtschein hineingeraten.
Sie wandte sich wieder um.
Genau in der Bewegung erwischte es sie!
Jane hörte noch den leicht zischenden Atemstoß. Gleichzeitig drückte das kalte Metall einer Mündung gegen ihren Nacken, und Jorges Flüsterstimme sagte nur ein einziges Wort.
»Aus!«
***
Ich schluckte und musste mich erst mal finden. Dann fragte ich noch mal nach, ob ich auch richtig gehört hatte. »Begraben?«
»Ja. Oder versteckt.«
»Wieso gerade hier?«
Lucy hob die Schultern. »Die Lanze ist – ebenso wie der Gral – auf sehr verwickelten Wegen von Frankreich nach England gelangt.«
»Moment«, griff ich ein. »Das sagte man. Nur fehlen noch die Beweise. Der Gral ist bisher nicht gefunden worden. Und mit der Lanze des Longinus verhält es sich ebenso. Nichts ist sicher.«
»Wir werden es herausfinden.«
»Wir?«
»Du wirst mir helfen. Du gehörst jetzt zu uns. Außerdem gibt es zwischen uns Familienbande. Wir haben denselben Vater. So etwas schweißt zusammen.«
Das stimmte wohl. Wir hatten denselben Vater, wenn alles stimmte, was mir Lucy erzählt hatte. Brüderliche Gefühle empfand ich trotzdem nicht für sie. Sie war mir nicht nur fremd vom Äußeren her, sondern auch fremd im Geist. So wie sie innerlich eingestellt war, konnte ich nicht denken.
Auf der anderen Seite war es sehr interessant, sich mit dem Thema Gral zu beschäftigen. Diese Geschichte hatte die Menschen schon in den früheren Jahrhunderten gefesselt. So ähnlich war es auch mit den Templern.
»Und wobei sollte ich dir helfen?«, fragte ich.
»Das weißt du, John! Stell dich nicht dumm an. Du kannst gar nicht anders. Wenn du dich weigern solltest – es gibt hier nur einen Ausgang, und dort warten Jorge und Abel. Du kannst davon ausgehen, dass sie unserer Sache bedingungslos dienen.«
»Das habe ich auch nicht anders erwartet«, erklärte ich. »Die Mitglieder der Geheimbünde halten zusammen. So muss das auch sein, sonst wäre so ein Bund ja auch zu nichts nutze.«
»Gut gefolgert, Halbbruder.«
Ich hob nur meine Augenbrauen. Einen Kommentar gab ich nicht ab, obwohl mir der Ausdruck nicht gefiel. Es stimmte nun mal, und außerdem steckte eine gewisse Neugierde in mir, die sich nicht so leicht vertreiben ließ.
Ich nickte Lucy Newman zu. »Ja, dann wollen wir mal. Du bist die Führerin. Du kennst dich aus.«
»Ich hoffe.«
»Liegt sie hier in der Kirche? Die Lanze, meine ich!«
Lucy schüttelte den Kopf. Gleichzeitig deutete sie gegen den Boden. »In der Krypta.«
»Oh…«
»Ja, man hat die Blutwaffe gut versteckt, das musste so sein.«
»Und du weißt davon?«
»Das hoffe ich.«
Überzeugt hatte sie mich nicht. Warum sollte ausgerechnet Lucy darüber Bescheid wissen und andere Personen nicht, die sich so intensiv mit diesem Mysterium beschäftigt hatten? Und warum hatte sie ausgerechnet mich ausgesucht und nicht einen Vertrauten aus dem Geheimbund?
Die Antwort darauf interessierte mich sehr, ich verschob die Fragen allerdings auf einen späteren Zeitpunkt.
Lucy hatte sich neben dem flachen Altar aufgebaut. Ich musste meinen Platz ihr gegenüber einnehmen und wollte fragen, wie es weiterging, da kam sie mir zuvor.
»Drehen, John!«
»Bitte?«
»Der Altar lässt sich drehen.«
Danach sah er mir nicht aus. Aber Lucy musste es wissen, so machten wir uns an die Arbeit. Wir fassten an bestimmten Stellen an, und auf Lucys Zeichen drehte wir die schwere Platte nach links.
Was ich zuerst nicht glauben wollte, trat ein. Wir vernahmen das leise Knirschen, als würde etwas innerhalb des Gesteins zerreißen.
Wir hielten den Atem an, aber wir drehten weiter und stellten fest, dass sich der Altar tatsächlich bewegte. Er drehte sich nach links, und ich sah jetzt, dass der Fuß auch auf einer Platte stand, die mir zuvor nicht aufgefallen war,
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