Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
der größten Höflichkeit mit ihm verkehrt.“
    „Wo ist dein Herr?“ hörte ich barsch die Stimme des Hauptmannes fragen.
    „Erlaube mir, Hoheit, dich erst zu fragen, wer du bist!“
    „Das wird dein Herr wohl sehen!“
    „Aber ich weiß ja nicht, ob es ihm beliebt, es zu sehen. Er ist ein sehr strenger Herr, und ich darf es nicht wagen, jemand zu ihm zu lassen, ohne ihn zuvor um Erlaubnis zu fragen.“
    Ich sah im Geist mit Vergnügen das demütig-freundliche Gesicht des kleinen Schlaukopfs gegenüber den grimmigen Zügen des barschen Offiziers, der den Befehl seines Vorgesetzten auszuführen hatte und also nicht umkehren durfte, was er jedenfalls am liebsten getan hätte. Er antwortete:
    „Ist dein Herr wirklich ein so großer und vornehmer Emir? Solche Leute pflegen anders zu wohnen, als wir es gestern bemerkten!“
    „Das tat er nur zu seinem Vergnügen. Er langweilte sich und beschloß, einmal zu sehen, wie unterhaltend es ist, wenn sechzig tapfere Krieger zwanzig Knaben und Mädchen fangen, die Erwachsenen aber entlaufen lassen. Das hat ihm sehr gefallen, und nun sitzt er auf seinem Diwan und hält seinen Kef, wobei ich ihn nicht stören möchte.“
    „Du bist verwundet. Warst du nicht gestern auch dabei?“
    „Ja. Ich war es, der unten an der Tür stand, wo eigentlich eine Wache hingehörte. Aber ich sehe, daß du dich gern mit mir hier unterhalten willst. Erlaube, Hoheit, dir einen Sitz zu bringen!“
    „Halt, Mensch! Ich glaube gar, du sprichst im Ernst! Sage deinem Herrn, daß ich mit ihm reden möchte.“
    „Und wenn er mich fragt, wer du bist?“
    „So sage, daß ich der Jüsbaschi von gestern abend sei.“
    „Gut! Ich werde ihn einmal bitten, seine Güte über dir leuchten und dich eintreten zu lassen, denn ich weiß, was man um einen Mann von deiner Würde wagen darf.“
    Er trat herein und zog die Tür hinter sich zu. Sein ganzes Gesicht funkelte vor Vergnügen.
    „Soll er sich neben dich setzen?“ fragte er leise.
    „Nein. Lege ihm das Kissen grad mir gegenüber nahe an die Tür, aber mit der größten Höflichkeit; dann bringst du ihm eine Pfeife und Kaffee.“
    „Dir auch Kaffee?“
    „Nein; ich trinke nicht mit ihm.“
    Er öffnete jetzt und ließ unter einem demütigen „der Emir erlaubt es“ den Wartenden eintreten. Dieser grüßte nur mit einer leisen Verneigung seines Hauptes und begann:
    „Ich komme, um das dir gestern gegebene Versprechen zu –“
    Er hielt inne, denn eine rasche Handbewegung meinerseits hatte ihm auf ganz unzweideutige Weise Schweigen geboten. Ein höflicher Gruß einem Franken gegenüber dünkte ihm wohl gar nicht nötig, und so hatte ich große Lust, ihm zu zeigen, daß auch ein Christ an Achtung gewöhnt sein kann.
    Er stand noch an der Tür. Halef brachte das Kissen und legte es ihm grad vor die Füße; dann verließ er den Raum. Es war ein wirkliches Schauspiel, das Gesicht des Jüsbaschi zu beobachten, in welchem Empörung, Erstaunen und Scham um die Herrschaft rangen. Er fügte sich aber doch in das Unvermeidliche und ließ sich nieder. Es mußte den stolzen Moslem eine bedeutende Überwindung kosten, bei einem Christen nur an der Tür Platz zu nehmen.
    Bei der orientalischen Art und Weise, stets kochendes Wasser für den Kaffee über dem Feuer zu haben, dauerte es nur sehr kurze Zeit, bis Halef ihm eine Tasse des Getränkes und Feuer brachte. Er nahm beides, trank den Kaffee und ließ sich die Pfeife anbrennen. Halef blieb hinter ihm stehen, und nun konnte die Unterhaltung beginnen.
    „Mein Sohn“, begann ich in väterlich freundlichem Ton, obgleich das Wort eigentümlich klingen mußte, da ich auch nicht älter war, als er selbst; „mein Sohn, ich ersuche dich, einiges zu merken, was mein Mund dir zu sagen hat. Wenn man die Wohnung eines Bilidschi (gebildeter Mann, Mann von Erfahrung) betritt, so sagt man ihm einen Gruß, sonst wird man entweder für stumm oder für unwissend gehalten. Auch darf man die Rede nie zuerst beginnen, sondern muß warten, bis man angesprochen wird, denn der Hausherr hat das Recht, das Zeichen zum Beginn zu geben. Wer einen anderen beurteilt, ohne ihn vorher kennengelernt zu haben, der wird sich sehr viel irren, und vom Irrtum ist oft nur ein kleiner Schritt zur Demütigung. Du wirst meine gut gemeinten Worte dankbar beherzigen, denn die Erfahrung hat die Pflicht, die Jugend zu belehren. Und nun magst du mir sagen, welche Bitte du auszusprechen hast!“
    Der Mann hatte die Pfeife sinken lassen und öffnete den

Weitere Kostenlose Bücher