14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
liebsten eine kräftige Ohrfeige gegeben hätte; aber um unseres eigenen Vorteils willen mußte ich seine Beleidigung ruhig ertragen. Ich befand mich in einer keineswegs sehr angenehmen Lage, denn die zurückgebliebenen Bebbeh waren mittlerweile auch herangekommen und hatten sich mit den andern vereinigt, so daß nur fünfhundert Schritte von mir entfernt über dreißig Feinde hielten. Die geringste Unvorsichtigkeit konnte mein augenblickliches Verderben sein.
„Du siehst also, daß wir nicht eure Feinde sind, und wirst uns ungehindert gehen lassen?“
„Wohin wollt ihr gehen?“
„Gegen Bagdad hin.“
„Bleibe hier. Ich werde mit den Bebbeh reden!“
Er stand auf und ging zurück, ohne im Vorüberschreiten seine weggeworfene Keule eines Blickes zu würdigen. Es war eine lange, sehr lange Unterredung, die nun erfolgte; man sprach für und wider, wie ich aus den Gebärden ersah, und es war über eine Viertelstunde vergangen, ehe er zu mir zurückkehrte.
Er setzte sich nicht nieder; darum stand ich gleichfalls auf.
„Du könntest gehen“, entschied er; „aber wir haben deine Gefährten noch nicht gesehen. Rufe sie herbei! Auf meinen Wink werden auch vier Bebbeh erscheinen; dann sind wir gleich.“
Dieser Vorschlag war ganz außerordentlich gefährlich. Ich hatte mich gar noch nicht wieder nach den Gefährten umgesehen, um nichts an Respekt bei dem Abgesandten einzubüßen; aber als ich mich jetzt umdrehte, sah ich sie in einer Entfernung von wenigstens zweitausend Schritten von uns halten. Sollten sie diesen günstigen Vorsprung aufgeben, um sich vielleicht fangen zu lassen? Ich mußte vorsichtig handeln.
„Du irrst“, antwortete ich; „dann sind wir nicht gleich.“
„Warum nicht? Ihr seid fünf und wir auch.“
„Sieh den Vorsprung, den meine Brüder jetzt haben, und denke an den, welchen sie dann haben werden, wenn sie hier sind und ihr ihnen nicht den Frieden bietet!“
Er machte eine Armbewegung der unendlichsten Geringschätzung.
„Fürchte nichts, Giaur! Wir sind Bebbeh und keine Bejat. Wir werden euch ganz denselben Vorsprung wieder lassen.“
Unter anderen Verhältnissen hätte ich diesem Mann für seinen ‚Giaur‘ sicherlich ganz anders geantwortet; jetzt aber hielt ich es für das Klügste, diese Beleidigung gar nicht gehört zu haben. Darum erwiderte ich nur:
„Ich traue dir! Werden deine vier Männer bewaffnet kommen?“
„Wie du es willst.“
„Sie mögen ihre Waffen behalten, und auch wir beide wollen die unserigen wieder nehmen.“
Er nickte stumm und kehrte zurück. Ich steckte Dolche und Revolver wieder in den Gürtel und stieg zu Pferd. Dann winkte ich den Gefährten. Die Atmosphäre war so rein und klar, daß sie selbst auf eine solche Entfernung hin meine Armbewegung erkennen konnten. Sie folgten dem Wink und kamen herbei. Bald hielten wir in einer Reihe nebeneinander und fünf Bebbeh uns gegenüber.
„Welcher ist der andere Franke?“ fragte der Anführer.
Ich deutete auf Lindsey und antwortete: „Dieser!“
Über die ernsten Züge der Kurden glitt eine Art von Lächeln, und der Sprecher meinte:
„Ich glaube, daß er ein Franke und ein Christ ist, denn er hat die Nase eines Khansir (Schwein), die man Rüssel nennt.“
Das war denn doch mehr, als ich ihm erlauben durfte.
„Diese Art von Nasen habe ich in Alep und Diarbekir bei vielen Gläubigen gesehen“, antwortete ich.
Er fuhr empor: „Schweige, Giaur!“
Ich ließ mein Pferd einen Schritt vortreten.
„Höre, Mann, du sagtest vorhin, daß du lesen könntest. Hast du vielleicht auch den Koran gelesen?“
„Was geht es dich an!“
„Ich frage allerdings nicht viel nach dem Buch des Propheten, denn ich bin ein Christ; du aber bist ein Moslem und solltest tun, was Mohammed befiehlt! Hat er nicht gesagt: ‚Wer einen Feind ehrt, den lieben die Tapferen; wer aber einen Feind schändet, den lieben die Feiglinge!‘ Du hast deine Lehre von dem Propheten erhalten und denkst, du hättest die Richtige; wir haben die unsrige von Isa Ben Marryam erhalten und glauben, daß sie die Richtige sei; wir haben also beide das Recht, uns Giaurs zu nennen. Du hast es getan, ich aber nicht; denn es ist nicht fein und schön, einen Menschen ärgern zu wollen. Wer seinen Mitmenschen in den Staub tritt, der beschmutzt sich selbst. Merke dir das, Bebbeh!“
Er blieb vor Erstaunen über meine vermeintliche Kühnheit eine ganze Weile wortlos; dann aber riß er zornig den Dolch aus dem Gürtel.
„Mensch, willst du, du,
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