14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Pferde an, ohne uns irgendein Zeichen gegeben zu haben.
„Wohin?“ fragte Mohammed.
„Hm!“ brummte ich.
Ich war noch nie im Leben so unsicher über die einzuhaltende Richtung gewesen, wie jetzt.
„Überlege, Emir!“ sagte Amad. „Wir haben jetzt Zeit. Unsere Pferde mögen sich jetzt verschnaufen.“
„Ebenso leicht könnte ich sagen, ihr sollt überlegen“, antwortete ich. „Ich weiß nicht genau, in welcher Gegend wir uns befinden, aber ich denke, daß im Süden von uns Nweizgieh, Merwa , Beytosch und Deira liegen. Diese Richtung würde uns nach Sulimania bringen –“
„Dahin gehen wir nicht!“ unterbrach mich Mohammed Emin.
„So haben wir uns für den Paß zu entschließen, von dem wir gestern abend sprachen. Wir können unsere gegenwärtige Richtung beibehalten, bis wir den Fluß Berozieh erreichen, den wir eine Tagereise lang aufwärts verfolgen müssen, um hinter Banna in die Berge zu kommen.“
„Ich stimme bei“, sagte Mohammed.
„Dieser Fluß hat für uns auch den Vorteil, daß er Persien von dem Ejalet scheidet, und wir können also die Ufer wechseln, je nachdem es unsere Sicherheit erfordert.“
Wir ritten nun weiter gegen Süden. Die Gegend stieg aus der Ebene immer mehr zur Höhe; Berge und Täler wechselten in immer größeren Gegensatz. Am späten Nachmittag befanden wir uns mitten im Gebirge und kamen, kurz vor Sonnenuntergang, auf einer einsamen, dichtbewaldeten Höhe zu einer kleinen Hütte, aus deren Dachöffnung Rauch emporstieg.
„Hier wohnt jemand, Sihdi“, meinte Halef.
„Jedenfalls ein Mensch, der uns nichts schaden kann. Ich werde mir ihn ansehen; bleibt bis dahin hier halten!“
Ich stieg ab und schritt auf das Häuschen zu. Es war aus Steinen gebaut, deren Ritzen man mit Moos verstopft hatte. Das Dach wurde von einer mehrfachen Lage dichter Zweige gebildet, und die Türöffnung war so niedrig, daß kaum ein Kind aufrecht eintreten konnte.
Als meine Schritte im Innern des primitiven Bauwerks zu hören waren, erschien an der Tür der Kopf eines Tieres, das ich für einen Bären hielt; bald aber überzeugte mich die Stimme dieses zottigen Geschöpfs, daß ich es mit einem Hund zu tun habe. Dann erklang von innen ein scharfer Pfiff, und an Stelle dieses Kopfes erschien ein zweiter, den ich beim ersten Anblick ebensowenig zu klassifizieren vermochte. Ich sah nämlich weiter nichts als Haare, die verworrener gar nicht gedacht werden konnten, und eine tiefschwarze, breite Nase und zwei funkelnde Äuglein, die denen eines zornigen Schakals glichen.
„ Ivari 'l ker – guten Abend“, grüßte ich.
Ein tiefes Brummen antwortete.
„Wohnst du allein hier?“
Das Brummen stieg noch um einige Töne tiefer.
Jetzt wurde das Brummen wahrhaft fürchterlich; ich glaube, die Stimme dieses Geschöpfes reichte wenigstens bis zum großen C herab. Dann kam die Spitze eines Spießes zum Vorschein – sie ward immer weiter hervorgeschoben, bis sie sich grad vor meiner Brust befand. „Komm heraus!“ bat ich im höflichsten Ton.
Wahrhaftig, das Brummen stieg noch eine kleine Terz tiefer, also Kontra-A, und die Spitze der Waffe zielte grad auf meine Kehle. Das war mir denn doch zu ordnungswidrig. Ich faßte also den Spieß und zog. Der rätselhafte Bewohner der Hütte hielt seine Waffe fest, und da er mir nicht gewachsen war, so zog ich hin aus der Tür: erst das Haargestrüpp mit der schwarz glänzenden Nase, dann zwei Hände von ganz derselben Farbe und mit breiten Krallen; hierauf folgte ein zerlöcherter Sack, ähnlich denen, worin unsere Kohlenhändler ihre Ware aufzubewahren pflegen, dann zwei schmierige Lederfutterale, parallel miteinander, und endlich zwei Gegenstände, über die ein anderer sicher im unklaren geblieben wäre, die ich als Scharfsinnigster der Scharfsinnigen infolge ihrer Umrisse sofort als die Stiefel erkannte, die der Koloß von Rhodos einmal getragen haben mußte.
Sobald die Stiefel die Tür passiert hatten, richtete sich das Wesen vor mir empor, und nun hatte auch der Hund Platz genug, sich in ganzer Figur zu zeigen. Auch bei ihm sah man nur einen jedem Gleichnis spottenden Haarfilz, eine schwarze Nase und zwei Augen, und beide Kreaturen schienen sich mehr vor mir zu fürchten, als ich vor ihnen.
„Wer bist du?“ fragte ich jetzt im barschestem Ton.
„ Allo (kurdische Zusammensetzung des Namens Allahverdi )!“ brummte es, aber es waren doch menschliche Laute.
„Was bist du?“
„ Kümürdar (Köhler).“
Ah, das war also die
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